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Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU)

© dapd

Atommüll: Lex Asse

Bundesumweltminister Peter Altmaier will ein Sondergesetz für die zügige Rückholung des Atommülls aus dem maroden Lager Asse

Der Bundesumweltminister kam zeitig und blieb fast den ganzen Tag. Zehn Tage nach seiner Amtsübernahme hat Peter Altmaier (CDU) am Freitag das Atommülllager Asse besucht. Sein Vorgänger Norbert Röttgen (CDU) war erst nach zweieinhalb Jahren ins niedersächsische Remlingen gereist, wo das Bergwerk liegt. Dass er ein anderes Tempo vorlegen will, machte Altmaier auch nach seinem Besuch deutlich: Er kündigte ein Sondergesetz für eine zügige Rückholung des Atommülls aus der Asse an. Dies solle spätestens im ersten Halbjahr 2013 vom Bundestag verabschiedet werden.

In dem eilig gestrickten Terminplan war Altmaiers Ankunft für zehn Uhr vermerkt, doch die Minister-Limousine fuhr schon 20 Minuten früher an der Anlage vor. Rund 30 Atomkraftgegner waren bereits eine Stunde vorher gekommen. Mit Schirmen und Anoraks, Kaffee und heißer Suppe erwarteten sie den Besucher.

„Wir wollen hier allerdings nicht nur frühstücken, sondern wir haben ganz konkrete Forderungen an den Minister“, sagte Udo Dettmann vom Asse-II-Koordinationskreis, dem Zusammenschluss der örtlichen Bürgerinitiativen. „Wir erwarten, dass er heute ein konkretes Datum nennt, bis wann der Atommüll aus der Asse herausgeholt ist.“ In den vergangenen Tagen hatte ein Zeitplan des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), wonach sich der Beginn der Bergung der radioaktiven Abfälle bis 2036 verzögern könnte, für große Unruhe bei Anwohnern und Politikern gesorgt – auch Altmaier hatte sich besorgt geäußert. „Der Minister muss nicht den Anfang, sondern das Ende der Rückholung definieren“, verlangte Dettmann. „Und daran müssen sich alle Planungen orientieren.“

Andreas Riekeberg vom Koordinationskreis forderte ein grundsätzliches Bekenntnis Altmaiers zur Rückholung der radioaktiven Abfälle. Bisher befürworte das Umweltministerium die Bergung nur unter der Bedingung, dass der Müll vollständig aus der Asse herausgeholt werden könne. „Jedes geborgene Atommüllfass ist langfristig ein Sicherheitsgewinn“, sagte Riekeberg.

Vor zweieinhalb Jahren hatte das BfS nach einem Vergleich verschiedener Schließungsvarianten dafür plädiert, das marode Bergwerk komplett zu räumen. Alle 126 000 Fässer mit Atommüll sollen aus der Asse herausgeholt werden. Das technisch, finanziell und politisch ambitionierte Unterfangen stieß nicht überall auf Begeisterung. Das Bundesumweltministerium verordnete vorab eine Probephase, die Landesregierung in Hannover versah den Antrag des BfS zum Anbohren einer ersten Kammer mit einem fast 1000-seitigen Konvolut an Auflagen, deren Abarbeitung das Vorhaben immer weiter verzögerte. Erst am Freitag drückte Altmaier unter Tage auf einen Knopf, der die Probebohrung auslöste.

Vorher ging der Minister auf die Demonstranten am Zaun zu. „Zuerst rede ich mit den Bürgern“, sagte er. Heike Wiegel vom atomkraftkritischen Verein „Aufpassen“ überreichte Altmaier einen Gutschein für ein „A“ aus Holz – der Buchstabe ist das Symbol der regionalen Protestbewegung. Den Gutschein könne er einlösen, sobald er „gute Taten vollbracht“ und „endlich ein Gesamtkonzept“ für die Räumung des Bergwerks vorgelegt habe.

Unter Tage ließen sich Altmaier und sein niedersächsischer Amtskollege Stefan Birkner (FDP) von BfS-Präsident Wolfram König den Zustand des Bergwerks erläutern. Der ist schlecht. Nachdem die Nachbarschächte Asse 1 und 3 schon früher abgesoffen waren, läuft auch in das Atommmülllager Wasser – jeden Tag rund 12 000 Liter. Bis zu 500 000 Liter pro Tag können die vom BfS installierten Pumpen inzwischen wegschaffen. Bei größeren Mengen jedoch, sagen die Strahlenschützer, werde es kritisch. Das BfS arbeitet deshalb an einem Notfallplan. Der wiederum stößt bei den Bürgerinitiativen auf Skepsis. Das BfS bereite damit die Flutung des Atommülllagers vor, sagte Andreas Riekeberg. Sollte das geschehen, sei eine Rückholung der Abfälle nicht mehr möglich. Stattdessen komme es unweigerlich zu einer Freisetzung radioaktiver Stoffe an die Biosphäre – „in unbekannten Zeiträumen, an unbekannten Orten in Norddeutschland, in unbekanntem Ausmaß“.

Die Notfallmaßnahmen des BfS ähnelten stark dem alten Flutungsplan des früheren Betreibers, präzisierte Frank Hoffmann vom Koordinationskreis. Er hält die Gemeinsamkeiten für so groß, „dass man kaum von Zufällen sprechen kann“. Die Pläne beinhalteten jeweils die Einleitung von mehreren hunderttausend Kubikmetern Magnesiumchlorid-Lauge in die Bereiche unterhalb von 700 Metern Tiefe. Dort liegen zwölf Kammern mit radioaktiven Abfällen. „Es gibt Unterschiede in der Begründung der Maßnahmen, aber nicht in ihrem Effekt für das Bergwerk und die Abfälle“, sagte Hoffmann.

Ein Datum für die Bergung der Abfälle nannte Altmaier am Freitag nicht. Er sagte jedoch zu, Anwohner und Umweltschützer bei der Sanierung der Asse einzubeziehen. Er könne zwar nicht versprechen, dass die Bürger immer zu 100 Prozent mit seinen Entscheidungen einverstanden seien. Er verspreche aber, „dass ich mit Ihnen über alle Probleme reden werde“. Die Bürgerinitiativen lud er nach Berlin ein. „Drücken Sie uns die Daumen, wir haben sehr, sehr viel Arbeit vor uns“, sagte er. Die Asse sei eine „klaffende Wunde in der Natur“.

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