zum Hauptinhalt
Steinmeier

© dpa

Atomwaffen: Im Kern inkonsequent

In der Abrüstungspolitik plant das Auswärtige Amt den Abschied von bisherigen Prinzipien. Deutschland droht an Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Von Hans Monath

Abrüstungsexperten aus fast allen Bundestagsfraktionen haben Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vor einem Verlust der Glaubwürdigkeit Deutschlands beim Kampf gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen gewarnt. Anlass ist die anstehende Entscheidung der Gruppe der Lieferländer von Kernmaterial (Nuclear Suppliers Group, NSG) über eine Erlaubnis zum Export von Atomtechnologie nach Indien.

Vertreter von SPD, FDP, Linksfraktion und Grünen befürchten, dass die Position der internationalen Gemeinschaft im Atomstreit mit dem Iran unterminiert wird, wenn im Umgang mit Nuklearmächten doppelte Standards geschaffen werden. Die USA drängen nach dem US-indischen Atomabkommen auf eine Ausnahmegenehmigung der NSG für Indien, das dem Atomwaffensperrvertrag nie beigetreten ist und deshalb bisher nicht beliefert werden durfte.

Steinmeier lobt IAEO

Eine Zustimmung Deutschlands zu der Ausnahmegenehmigung würde einen Bruch mit dem bisherigen Prinzip der strikten Nichtverbreitungspolitik bedeuten. Steinmeier, der sich auch mit Abrüstungsinitiativen profiliert, räumt dieses Dilemma ein. Die Hinweise mehren sich jedoch, dass Deutschland dem amerikanischen Druck in der NSG nachgeben wird, in der jeder der 45 Partner ein Vetorecht genießt. Die Gruppe tagt am 20. und 21. Mai in Wien unter deutschem Vorsitz.

Vergangene Woche lobte Steinmeier das neue Sicherungsabkommen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) mit Indien als "einen wichtigen Schritt" zur Einbindung des Atomwaffenlandes in die internationale Rüstungskontrolle. Doch nur die zivilen, nicht die militärischen Nuklearanlagen Indiens sollen von der IAEO kontrolliert werden. Bisher war Indien an keinen der entscheidenden Kontrollverträge gebunden.

SPD-Abrüstungsexperten: Deutschland darf dem Druck aus der USA nicht nachgeben

Doch auch die Abrüstungsexperten aus Steinmeiers eigener Fraktion, Uta Zapf und Rolf Mützenich, halten das Abkommen für ungenügend. Der Vorschlag an die NSG sei "nicht zustimmungsfähig“, sagt Uta Zapf. Eine Ausnahmegenehmigung bringe nur dann Fortschritte, wenn Indien sich verpflichte, kein waffenfähiges Nuklearmaterial zu produzieren, sein nukleares Waffenarsenal nicht weiter auszubauen und klarere Regeln für die Kontrolle durch die IAEO akzeptiere. Mützenich rät auch dazu, den zeitlichen Druck der USA keinesfalls nachzugeben. Er setzt darauf, dass der mögliche Bush-Nachfolger Barack Obama neue Anläufe bei der Abrüstung unternimmt.

Die Kritik der Oppositionspolitiker fällt noch schärfer aus. Deutschland müsse in der NSG darauf bestehen, dass sich Indien zur nuklearen Abrüstung verpflichte und Kontrollen der IAEO für alle zivilen Nuklearanlagen dauerhaft zulasse, fordert die FDP-Abgeordnete Elke Hoff. Ansonsten würden "nukleare Doppelstandards“ entstehen, die "gerade im Hinblick auf die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm fatale Auswirkungen hätten“. Sofern Berlin trotzdem zustimme, würde dies "einen immensen Glaubwürdigkeitsverlust“ für Steinmeier bedeuten, warnt die Liberale.

Jürgen Trittin: "Nichtweiterverbreitungsregime ins Mark getroffen"

Ähnliche Forderungen erheben auch die Grünen. Sofern die NSG für Indien nun eine Ausnahme schaffe, werde "das Nichtweiterverbreitungsregime ins Mark getroffen“, warnt Fraktionsvize Jürgen Trittin. Auch er befürchtet eine fatale Signalwirkung in Richtung Teheran. Linksfraktion-Außenpolitiker Paul Schäfer schließlich fordert, die Bundesregierung müsse in der NSG "offensiv Widerstand leisten“.

Unterstützung erhält der Minister nur aus der Union. "Steinmeiers Pragmatismus ist zu begrüßen“, meint etwa der Außenpolitiker Karl-Theodor Freiherr von Guttenberg: "Es gibt durchaus Gründe, dem Abkommen zuzustimmen.“ Gewöhnlich gehört der CSU-Politiker zu den schärfsten Kritikern des Außenministers innerhalb der Koalition.

Neu Dehli lobt Berlin

Die indische Regierung lobt unterdessen Kanzlerin Merkel und die Bundesregierung schon als internationalen Vorkämpfer für die angestrebte Ausnahmegenehmigung. "Sie leisten hervorragende Arbeit“, zitiert die Zeitung "Times of India“ Regierungskreise in Neu-Delhi.

Zur Startseite