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Viele Bürger drückten mit Blumen und Schildern am Breitscheidplatz ihr Beileid aus.

© dpa

Attentat in Berlin: Linke fordern Staatsakt für Anschlagsopfer

Schweigeminute und Trauerrede: Nun gibt es auch staatliche Anteilnahme am Leid der Opfer des Berliner Anschlags. Doch das reicht nicht allen.

Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella hatte persönlich am Rollfeld gestanden, als der Sarg von Fabrizia di Lorenzo aus dem Flugzeug getragen wurde. Die junge Frau war im Dezember bei dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz ums Leben gekommen. Auch in Polen erwies Präsident Andrzej Duda dem getöteten Lkw-Fahrer in der Kirche die letzte Ehre. Für viele Landsleute waren das bewegende Minuten.

Drei Wochen nach dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt werden hierzulande solche Szenen der Anteilnahme vermisst. Angehörige und auch Opfer selbst hatten ein mangelndes offizielles Gedenken kritisiert. Nun soll Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) in der ersten Sitzungswoche nach der Weihnachtspause eine Gedenkrede halten. Das bestätigte eine Sprecherin des Bundestages. Das Berliner Abgeordnetenhaus wird zudem am heutigen Donnerstag seine Sitzung mit einer Gedenkminute beginnen.

Die Linke fordert einen Staatsakt

Der parlamentarischen Geschäftsführerin der Linken, Petra Sitte, reicht das aber nicht. „Um der Opfer angemessen zu gedenken, sollte noch mehr getan werden als bisher geplant“, sagte Sitte dem Tagesspiegel. „Wir befürworten einen Staatsakt, bei dem auch die Angehörigen trauern können.“ Man sei es den Opfern schuldig, dass die staatlichen Würdenträger an der Gedenkveranstaltung teilnehmen. Vorbild könnten die Trauerveranstaltungen nach Anschlägen in anderen Ländern sein. „Auf jeden Fall sollte einfühlsam agiert werden“, sagte Sitte.

Derzeit, so heißt es sowohl im Bundestag als auch im Bundespräsidialamt, ist kein Staatsakt geplant. Wenn Bundestagspräsident Lammert seine Gedenkrede hält, wird es zwar voraussichtlich eine anschließende Schweigeminute geben, aber kein aufwendiges Zeremoniell. Normalerweise sind Trauerstaatsakte dem Gedenken an ehemalige Bundeskanzler und Bundespräsidenten vorbehalten. 2005 wurde allerdings auch der Opfer der Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean gedacht – es gehörten auch mehrere hundert Deutsche zu den Vermissten. Bundespräsident Horst Köhler hielt eine Rede, eingeleitet wurde die Gedenkstunde von einem Ensemble des Berliner Sinfonie-Orchesters mit einer Serenade von Richard Strauss. Sollte es eine so feierliche Zeremonie nun auch für die Opfer des Breitscheidplatzes geben?

Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Christine Lambrecht, sieht keine Notwendigkeit für einen Staatsakt. „Ich glaube nicht, dass es im parlamentarischen Rahmen eine Veranstaltung gibt, die den Schmerz der Angehörigen lindern kann“, sagte sie. Die Kritik, dass die offizielle Trauer zu spät komme, lässt sie nicht gelten. „Kurz nach diesem Anschlag gab es eine Zeit der Besinnung, weil wir alle betroffen waren. Jetzt ist die Debatte sinnvoll.“

Aufwändige Trauerfeier für NSU-Opfer

Im Bundestag heißt es, man sei derzeit zwischen den Fraktionen im Gespräch über ein angemessenes Gedenken. Erwogen wird eine eigene Form, die über die in solchen Fällen ohnehin übliche kurze Ansprache von Bundestagspräsident Lammert hinausgeht. Die Frage soll in der ersten Sitzungswoche nach der Weihnachtspause auch im Ältestenrat behandelt werden. Lambrecht kündigte außerdem an, dass es in der nächsten Sitzungswoche des Bundestages eine aktuelle Stunde zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz geben werde. „Wir werden als Parlamentarier aufzeigen, wie verabscheuungswürdig solche Anschläge sind und dass wir uns von unsere Positionen nicht zurückdrängen lassen.“

Was an Gedenken auch außerhalb des Parlaments möglich ist, zeigte sich bei der Trauerfeier für die Angehörigen der Opfer des rechtsextremen NSU. Diese hatte 2012 der damalige Bundespräsident Christian Wulff organisiert. Im Konzerthaus am Gendarmenmarkt hielt Kanzlerin Angela Merkel vor den 1200 Gästen eine Rede und entschuldigte sich bei Angehörigen der Ermordeten für falsche Verdächtigungen der Ermittlungsbehörden.

Nach dem Anschlag am Breitscheidplatz hatte es zwar in der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz einen Gedenkgottesdienst mit Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck gegeben. Zu diesem Zeitpunkt waren aber weder alle Opfer identifiziert noch stand fest, ob nicht weitere Menschen an ihren Verletzungen sterben würden.

Auch eine Schweigeminute im Parlament sei nicht ausreichend, sagte der Präsident des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg, Jan Gabriel. Sie werde dem Ausmaß des Anschlags nicht gerecht. Er befürwortet ebenfalls eine staatliche Trauerfeier. Zudem sollten Staatsakte wie Trauerzeremonien und Amtseinführungen künftig so gestalten werden, „dass sie die gesamte Bevölkerung einbeziehen, auch die etwa 60 Prozent der Berliner, die konfessionsfrei sind.“

Bei dem Lkw-Anschlag waren am 19. Dezember zwölf Menschen gestorben und 50 zum Teil schwer verletzt worden. (mit epd)

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