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Politik: Auch gegen die Armee

Ankara will Reformen – und legt sich sogar mit dem Miliär an

„Wir werden mutig sein", sagt der türkische Außenminister Abdullah Gül über das geplante neue EU-Reformpaket seiner Regierung. Damit beschreibt Gül nicht nur den Reformwillen der AKP-Regierung, sondern auch deren Entschlossenheit, sich mit der stärksten außerparlamentarischen Kraft im Land anzulegen: den Militärs. Fünf Reformpakete zur Harmonisierung der türkischen Gesetze mit den EU-Normen hat das türkische Parlament in den vergangenen Jahren verabschiedet und damit wichtige Veränderungen wie die Abschaffung der Todesstrafe beschlossen. Mit dem nun anstehenden sechsten Paket geht die Regierung endgültig ans Eingemachte, denn die Armee lehnt einige Reformpläne der Zivilisten bisher ab.

Die türkische Armee versteht sich selbst als pro-europäische Kraft, aber mit den für eine erfolgreiche EU-Bewerbung erforderlichen Reformen kann sie sich nur schwer anfreunden. Deshalb zählte der Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats, Generalleutnant Tuncer Kilinc, in einem Brief an die Regierung auf, was der Armee am neuen Reformpaket nicht passt. Die geplante Abmilderung des berüchtigten Anti-Terror-Gesetzes gehört ebenso dazu wie die vorgesehene Zulassung ausländischer Beobachter bei Wahlen in der Türkei sowie die Freigabe kurdischsprachiger Sendungen im Privatfernsehen.

Kompromisse mit den Militärs in Detailfragen sind möglich, doch an den Kernelementen der Reformen will die AKP festhalten. Die sozialdemokratische Oppositionspartei CHP und der Industriellenverband Tüsiad unterstützen die Regierung. Am Donnerstag wurde das als „Harmonie-Paket“ bekannte Maßnahmenbündel dem Ministerpräsidentenamt zugeleitet, an diesem Freitag ist eine Generaldebatte im Parlament vorgesehen. Bis Ende Juni sollen die Reformen verabschiedet werden: Spätestens dann wird sich herausstellen, ob sich die Zivilisten durchsetzen können.

Anschließend stehen aber weitere Veränderungen an. Ein siebtes „Harmonie-Paket“ mit wirtschaftspolitischen Schwerpunkten ist in Vorbereitung. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan stimmte die Abgeordneten seiner AKP bereits darauf ein, dass die Sommerpause des Parlaments in diesem Jahr sehr kurz ausfallen wird. Der Hauptgrund für die Eile liegt im Zeitplan der EU für ihre Beitrittskandidatin Türkei. Bis Ende 2004 will Brüssel demokratische Veränderungen nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Alltag der Türkei sehen. Erst dann können Aufnahmeverhandlungen beginnen.

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