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Politik: „Auch schwach war er stark“

Der Papst ist tot – Würdigungen aus Politik und Kultur

Leben und Sterben

in Würde sind möglich

Johannes Paul II. hat auch in den letzten Tagen seines Lebens sich und sein Leiden nicht versteckt, sondern Gläubigen auf dem Petersplatz und – via Fernsehen – Menschen in aller Welt Verletzlichkeit und Stärke, geistige Präsenz und spirituelle Willenskraft demonstriert. Gerade angesichts der ideologisch aufgeladenen Auseinandersetzungen um den Tod von Terri Schiavo in den USA und um Sterbehilfe hat für mich das öffentliche Auftreten des Papstes in seinen letzten Lebenstagen etwas Tröstliches: Leben und Sterben in Würde sind möglich, auch wenn die letzte Phase des Lebens von schwersten Krankheiten gekennzeichnet ist. Er machte uns damit nicht zu Voyeuren oder Richtern über Leben und Tod, er einte die Welt im Mitgefühl.

Dieser Papst hat wie wenige andere die katholische Kirche für die Eine Welt und für die Lebenserfahrung der Armen und der jungen Menschen geöffnet. Er vergeudete keine Zeit mit innervatikanischen Machtkämpfen, sondern suchte – fast getrieben – die real existierende Welt. In Lateinamerika, Afrika und Asien lag für ihn die Zukunft der katholischen Kirche.

Er kritisierte auf seinen Reisen – in der Nutzung der Medien erstaunlich modern – Ausbeutung und Armut in der Dritten Welt und ließ keinen Zweifel daran, dass er die Existenzweise der Industriestaaten nicht für ein positives Zukunftsmodell hielt. Johannes Paul II. forderte von realsozialistischen und anderen undemokratischen Regimen die Einhaltung der Menschenrechte. In diesem Sinne war er ein eminent politischer Papst. Seine kritische Haltung im Irakkrieg dokumentierte das Selbstverständnis und Selbstbewusstsein einer Kirche, die klare Positionen bezieht. Mit seinem Auftritt an der Klagemauer in Jerusalem hat er ein Zeichen der Versöhnung mit dem jüdischen Volk und zugleich der Selbstkritik der katholischen Kirche gesetzt, das lange fällig war. Praktisch bedeutete seine symbolische Aktion die Aufhebung des Dogmas von der päpstlichen Unfehlbarkeit. Wenn es noch zu Lebzeiten dieses Papstes zu dem längst fälligen Zusammenschluss der christlichen Kirchen gekommen wäre, hätte ich mich von Johannes Paul II. als Sprecher aller Christen gut vertreten gefühlt.

Ich glaube an den lieben Gott,

aber nicht an den Fernseher

Ich kenne jemanden, der kommt aus Potsdam und kennt den Papst erst seit zehn Jahren. Ich kenne den Papst gar nicht. Hätte ich einen Fernseher, würde ich den Papst auch nicht kennen, ich bin ihm ja nie begegnet. Ich glaube an den lieben Gott, aber nicht an den Fernseher. Ich denke, das ging dem Papst, den ich wie gesagt nicht kenne, ebenso. Sonst wäre er wohl kein Papst geworden.

Andreas Maier lebt als Autor in Potsdam. Sein neuer Roman „Kirillow“ ist soeben im Suhrkamp Verlag erschienen.

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