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Politik: Auf alles gefasst

Berliner Professor fordert wegen des Klimawandels eine Pflichtversicherung gegen Naturkatastrophen

Berlin - Gert G. Wagner fühlt sich durch den zweiten Bericht des Weltklimarats (IPCC) zu den Auswirkungen der Erderwärmung bestätigt. Der DIW-Forschungsdirektor und Professor an der Technischen Universität Berlin hält eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden für Hausbesitzer wie die Land- und Forstwirtschaft für einen wichtigen Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel. Das Risiko für Schäden durch Hochwasser oder Schneedruck „steigt durch den Klimawandel auch in der Fläche“, sagte Wagner dem Tagesspiegel. „Es gibt keinen Fleck, der nicht von Elementarschäden bedroht ist.“ Selbst an bisher ungefährdeten Standorten steige das Risiko für Starkregen-Ereignisse, die hohe Schäden verursachen könnten, argumentiert Wagner.

Schon einmal stand der Vorschlag, den Wagner gemeinsam mit Reimund Schwarze gemacht hatte, ganz oben auf der politischen Tagesordnung. Nach der Elbeflut 2002, bei der in Deutschland volkswirtschafliche Schäden von mehr als neun Milliarden Euro entstanden, wurde der Vorschlag sogar von einer Finanzministerkonferenz ernsthaft diskutiert. Gescheitert ist die Einführung der Pflichtversicherung schließlich am Unwillen der Minister der Versicherungswirtschaft eine Staatsbürgschaft für den Fall außergewöhnlich hoher Schäden in Aussicht zu stellen. 2004 wurde die Pflichtversicherung zu den Akten gelegt. „Bei der nächsten Katastrophe sind wir besser vorbereitet“, sagt Wagner.

Schon nachdem der Orkan „Kyrill“ im Januar über Deutschland gebraust war, legten Wagner und Schwarze ihren Entwurf wieder vor, erweitert um die Land- und Forstwirtschaft. Sturmschäden sind zu mehr als 90 Prozent über die Gebäude- und Hausratversicherungen abgedeckt. Die versicherten Schäden nach „Kyrill“ lagen bei etwa zwei Milliarden Euro. Auch Schäden an Autos sind meistens durch die Kraftfahrzeugversicherungen abgedeckt. Das gilt aber nicht für Sturmschäden in den Wäldern. Wie groß die Schäden durch „Kyrill“ ausgefallen sind, ist noch immer nicht ganz klar. Die Schätzungen reichen aber bis zu einer Milliarde Euro. Waldbesitzer können in solchen Fällen nur auf den Staat hoffen. Aber, „eine großzügige staatliche Hilfe nach Naturkatastrophen hat nichts mit systematischer Vorsorge zu tun“, kritisiert Wagner.

Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft sieht Pflichtversicherungen eher kritisch. Allerdings sagt die Sprecherin Katrin Rüter de Escobar, dass sowohl für Elementarschäden an Häusern wie für „Allschadensabsicherungen“ in der Landwirtschaft „die Nachfrage fehlt“. Für beides sind Versicherungen auf dem Markt, die aber sehr teuer sind, und deshalb kaum abgeschlossen werden. Rüter de Escobar meint, wenn der Staat statt nach einer Katastrophe mit Hilfen einzuspringen, mit diesem Geld eine Versicherungslösung subventionieren würde, sei eine flächendeckende Versorgung mit Versicherungen denkbar.

Die SPD haben die beiden Professoren für ihr Anliegen offenbar inzwischen gewinnen können. Im Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm heißt es im Kapitel Klimaschutz: „Niemand kann wirklich vor Elementarschäden wie Hochwasser, Stürmen oder Schneelast sicher sein. Darum brauchen wir mehr Vorsorge und eine planmäßige Schadensabsicherung.“

Die praktischen Probleme, die bisher verhindern, dass bezahlbare Versicherungen gegen Hochwasserrisiken angeboten werden, hält Wagner für lösbar. Wer sein Haus in einer Flussniederung gebaut hat, die alle zehn Jahre von einer großen Überschwemmung heimgesucht wird, muss eben höhere Tarife bezahlen und mit einem höheren Eigenanteil im Schadensfall rechnen. Doch wenn eine Pflichtversicherung eingeführt würde, wäre sie für Hausbesitzer in Risikogebieten wieder bezahlbar. Und was haben die davon, die nicht im Risikogebiet wohnen? Wagner ist sich sicher, dass der Klimawandel diese Frage bald von selbst beantworten wird.

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