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Politik: Auf dem Kopf stehen lernen Von Ursula Weidenfeld

Wenn sie gehen, sagen sie gern, dass sich ja nichts ändert. Dass sie so bleiben, wie sie immer waren.

Wenn sie gehen, sagen sie gern, dass sich ja nichts ändert. Dass sie so bleiben, wie sie immer waren. Kumpels eben. Dass sie ja nur auf die andere Seite des Schreibtisches wechseln. Ein Journalist bleibt eben immer ein Journalist, das hat man im Blut, sagen sie und gucken dabei entschlossen. Wenn sie gehen. Sie wissen natürlich, dass sie schwindeln. Aber sie hoffen, dass es keiner merkt.

Hops, und schon sind sie da, auf der anderen Seite. Des Schreibtischs. Gucken sich ein bisschen um, schieben den abgewohnten Besucherstuhl weg, angeln nach einem Chefsessel, lassen sich auf sattes schwarzes Leder plumpsen. Spiegeln sich in der Tischplatte. Zack, Füße in blank polierten schwarzen Schuhen auf den Tisch. Moderne Kunst an der Wand. Pressespiegel. Breites Grinsen. Beobachterposten.

Was aber sieht der Mann, der da sitzt und grinst, der bisher Journalist war und jetzt Pressesprecher wird? Er sieht einen mäßig gut gekleideten Journalisten, rotäugig, hungrig, verzweifelt telefonierend. Verschwitzt und verloren in einem Chaos von Papier, aufgegessenen Äpfeln, Keksen, Büchern. Verzweifelt starrt die Kreatur auf einen Computerbildschirm, angetrieben von ständigen Anfeuerungen des Galeerenführers: Du musst sofort zum Ende kommen, die Seite ist schon zehn Minuten über die Zeit. Die 15 muss jetzt gehen. Sie muss. Jetzt muss sie raus, mach sie zu. MACH SIE VERDAMMT NOCH MAL ZU SONST MACH ICHS.

Gefällt einem Pressesprecher das, was er von der anderen Seite des Schreibtischs aus sieht? Nein, natürlich nicht. Wie könnte es. Ehrlich gesagt, fragt der Pressesprecher sich, wie sich einigermaßen gebildete Menschen für so etwas hergeben können. Immer diese Hetze, immer das halbgare Zeug, immer diese Verunglimpfungen, wenn man mal ein bisschen ausholen will. Das will man doch nicht mehr, wenn man erwachsen geworden ist. Wirklich nicht.

Klar, dass sich alle Kollegen, die den Sprung gewagt haben, schnell und grundlegend verändern. Es ist nämlich ein gewaltiger Schritt für die Menschheit, dieser kleine, elegante und doch dynamische Hopser von der einen Seite des Schreibtischs auf die andere. Ein gewaltiger Fortschritt natürlich.

Schon in den letzten Wochen war es auch in unserem Fall zu spüren: Der Mann wandelt sich. Ein dezentes Aftershave durchwehte die Stätte seines jahrelangen Wirkens, wo vorher allenfalls ehrliche, kernige Seife zu erahnen war. Mildes Lächeln, wo früher journalistisches Feuer loderte. Die Stimme am Telefon: Angenehm, beflissen, immer ruhig, eine souveräne Ich-habe-alle-Zeit-der-Welt- Ihr-Problem-anzuhören-Stimme. Kein In-zwei-Minuten-muss-die-Seite-zwei- raus-Chaos mehr. Nein. Mancher wollte gar nicht mehr wieder auflegen.

Die Haare. Akkurat geschnitten neuerdings, ein matter Schimmer von pflegenden Ölen darauf. Die Brille: neu, intelligent. Die Augenringe: weg. Das Lächeln: entspannt. Er wird weiter gehen, der Wandel, da sind wir zuversichtlich: Teures Tuch, Dreiteiler. Angesagte Autos, ein, zwei neue Handys, Blackberry. Vor allem Blackberry. Das ist man sich schuldig in der IT-Branche. Immer erreichbar. Muss sein. Als Pressesprecher.

Wie aber ist der perfekte Pressesprecher? Er ist freundlich, kooperativ und besonnen. Er überschlägt sich nicht gerade, bloß kein schädlicher Übereifer, das schadet nur. Aber er liefert pünktlich, jedenfalls fast. Nicht immer das, was man gerne hätte. Aber dazu ist er ja da. Nun, wie sollen wir es sagen: Wir sind sicher, dass Maurice einer der besten Pressesprecher werden wird, den das Land je sah. Es ist ihm einfach in die Wiege gelegt: Er ist freundlich und kooperativ, hilfsbereit und kommunikativ. Liefert auf die letzte Minute, aber pünktlich.

Es gibt da nur ein kleines, ein winziges Problem auf der anderen Seite des Schreibtisches: Es steht alles auf dem Kopf dort. Das ist die wirkliche, die einzige große Herausforderung für einen Pressesprecher.

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