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Politik: Auf dem Weg ins Abseits - Sachsen-Anhalts FDP droht der Machtverlust

In Merseburgs Einkaufspassage geht es an diesem Vormittag zu wie auf einem Basar der politischen Angebote. Vorn an der Straßenbahn teilen zwei Jungs grüne Zettel aus, hinten am Marktplatz streitet ein Herr Rosmeisl von der CDU mit der Dame von der örtlichen Commerzbank wegen einer angeblich fehlenden Standgenehmigung.

Von Antje Sirleschtov

In Merseburgs Einkaufspassage geht es an diesem Vormittag zu wie auf einem Basar der politischen Angebote. Vorn an der Straßenbahn teilen zwei Jungs grüne Zettel aus, hinten am Marktplatz streitet ein Herr Rosmeisl von der CDU mit der Dame von der örtlichen Commerzbank wegen einer angeblich fehlenden Standgenehmigung.

Den meisten Lärm machen die Leute von der FDP. Cornelia Pieper hat alles aufgefahren, womit man vorbeieilende Rentner und Hausfrauen anlocken kann. Per Mikrofon wirbt sie für die Teilnahme an der Wahl. Sie teilt fleißig gelbe Frühlingsblumen aus. Jede Stimme zähle, und deshalb sei es wichtig, dass gerade sie, die ja in ganz Sachsen-Anhalt bekannt sei, die örtlichen FDP-Kandidaten im Straßenwahlkampf unterstützt, sagt sie später.

Für Cornelia Pieper und ihren Landesverband wird der kommende Sonntag zu einem Schicksalstag. Nicht nur, weil die Umfragen der FDP hier als einziger der in den drei Wahl-Ländern Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt regierenden Parteien voraussagen, dass sie ihr Regierungsmandat am Sonntag verlieren werden. Auch weil es hier zu beweisen gilt, dass das Ergebnis der vergangenen Wahl – fulminante 13,2 Prozent – kein einmaliger Höhenflug der Liberalen war.

FDP-Spitzenkandidat Karl-Heinz Paqué, der amtierende Finanzminister, hatte zunächst auf einen ganz leisen Wahlkampf seiner Partei gesetzt. Von einer „Volksabstimmung über die Mehrwertsteuer“, mit der die Berliner FDP-Zentrale seit Monaten heftig das Versagen großer Koalitionen anprangert, hatte Paqué zunächst überhaupt nichts gehalten. Schließlich gibt es für die Menschen in Sachsen-Anhalt – anders als 2002 – diesmal keinen wirklichen Grund, das politische Ruder im Land um 180 Grad herumzureißen. Unter der CDU-FDP-Regierung haben sich zwar weder die Arbeitslosigkeit noch die Staatsverschuldung spürbar verringert. Aber das hatte ohnehin keiner wirklich erwartet. Und was wäre schlimmer für Paqué, als dass Westerwelles Berliner Truppen mit ihrem Anti-Mehrwertsteuer-Kurs wirklich den Nerv der Leute hier träfen? Dann würde nicht nur sein CDU-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer schwer beschädigt, sondern mit ihm auch gleich noch die eigene FDP. Nein, Paquè wollte lieber im Windschatten der CDU ins nächste Kabinett kommen.

Dass sich der liberale Spitzenkandidat in der Berliner Parteizentrale nicht lange durchsetzen konnte, ist mittlerweile bekannt. Irgendwann Anfang des Jahres muss sich Guido Westerwelle den ehemaligen Professor aus Magdeburg mal zur Brust genommen und ihm deutlich erklärt haben, wie man als Liberaler im Wahlkampf so richtig was losmacht. Seitdem tourt der sonst so leise sprechende Intellektuelle Paqué über die Marktplätze von Magdeburg bis ins Jerichower Land und ruft den Leuten zu, was eigentlich wirklich niemand so richtig verstehen kann. Nämlich wieso man diesem Minister von der FDP seine Stimme geben soll, wenn der doch eigentlich die Politik seines Koalitionspartners CDU ganz und gar blöd findet.

„Die haben wirklich ein echtes Problem“, meinte jüngst ein Mittelständler aus Wittenberg, der sein Geld mit Flaschen-Rücknahme-Systemen für Supermärkte verdient. Vor vier Jahren wollte ihm die FDP-Bürokratiebeauftragte Birgit Homburger erzählen, das Dosenpfand- Gesetz sei schrecklich für Deutschland, obwohl er doch 90 Prozent seines Umsatzes damit macht. Und dieses Jahr will Paqué mit einer Partei weiterregieren, deren Mehrwertsteuerpolitik er selbst schädlich findet. Bildung hätte man zum Thema machen sollen, heißt es jetzt ein bisschen kleinlaut unter den Liberalen im Land. Das interessiert die Leute mehr als eine Mehrwertsteuererhöhung, die sowieso keiner mehr verhindern kann.

Aber nun ist es zu spät. Am Donnerstag hat Westerwelle in Magdeburg noch einmal den großen 19-Prozent-Hammer geschwungen, am Sonntag wird gewählt. Magere sechs Prozent verheißen die Demoskopen der FDP, was zu wenig ist für die Regierungsbank. Die Merseburger FDP-Leute haben ohnehin ihr eigenes Ding durchgezogen. Auf den Handzetteln, die sie mit Cornelia Pieper verteilt haben, taucht der Spruch von der Mehrwertsteuer nicht ein einziges Mal auf.

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