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Auf dem Weg zur großen Koalition: Nur auf der Basis des Vertrauens

Die Union signalisierte, dass sie zu Zugeständnissen bereit ist – das überzeugte die SPD in der Sondierung. Was ist diese Zusage wert?

Von
  • Robert Birnbaum
  • Hans Monath

Ein bisschen verblüfft sind manche immer noch bei CDU und CSU, wie schnell und glatt es dann am Ende ging. Nach der schwierigen, zeitweise sogar lauten Sondierungsrunde für eine große Koalition mit der SPD am Montag schien der Weg mit weiteren harten Gesprächen gepflastert. Doch es kam am Donnerstagnachmittag ganz anders. Die drei Parteichefs zogen sich für eine Stunde zurück. Und noch während Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer unter sechs Augen miteinander sprachen, inszenierten die Streithähne der Montagsrunde vor den Teleobjektiven der Pressefotografen die Aussöhnung: Auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft gab Kraft dem CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt die Hand.

Das Symbol konnte nur heißen: Auf SPD-Seite war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr wirklich strittig, ob man sich auf ein zweites Bündnis mit und unter der Kanzlerin Merkel einlässt. Tatsächlich gab es nach dem Dreiertreffen keine längere inhaltliche Debatte in der Sondierungsrunde mehr. Es ging dort fast nur noch um Verfahrensfragen. Gabriel empfahl nachher öffentlich seiner Partei, das Wagnis Koalitionsverhandlung einzugehen – obwohl er beim zentralen SPD-Symbolthema Mindestlohn kein konkretes Zugeständnis vermelden konnte.

Tatsächlich, wird auf Unionsseite berichtet, habe der SPD-Chef selbst in den Gesprächen auch nie erklärt, er brauche eine fertig ausgehandelte Mindestlohn- Lösung, um mit ihr als Trophäe seinen SPD-Konvent von dem Koalitionsprojekt zu überzeugen. Diese Erwartung sei eher von außen an die Sondierer herangetragen worden. Die SPD habe zwar anfangs einmal eine Art Strichliste gemeinsamer Vorhaben und Lösungswege ins Gespräch gebracht, sei davon aber schnell wieder abgerückt. Die Union bestand ohnehin vom ersten Moment an darauf, dass Sondierungen keine Verhandlungen seien, es also dort nur um das Ob, nicht um das Wie gehen könne.

Trotzdem war allen Beteiligten klar, dass bei einem öffentlich quasi zur Sollbruchstelle erklärten Thema wie dem Mindestlohn das Ob vom Wie nicht klar zu trennen ist. Und so kam am Ende auf beiden Seiten eine Bewegung zustande, die, wenn man die verschiedenen Berichte zusammenfasst, zwar so nicht geplant, aber auch nicht rein zufällig war. Ohne von den Schritten der jeweils anderen zu ahnen, gingen sie aufeinander zu.

Den einen Schritt tat Horst Seehofer. Der CSU-Chef sandte per Zeitungsgespräch am Morgen vor der letzten Sondierungsrunde das Signal aus, er könne einen Mindestlohn von 8,50 Euro unter Umständen akzeptieren. Das war mit der CDU nicht abgesprochen, offenbar wusste auch Merkel von nichts. Es war ihr aber recht. „Seehofer hat auf eigene Rechnung gehandelt, aber er wollte wohl hilfreich sein“, vermutet einer aus der engeren CDU-Führung. Und das war er. Denn schließlich war das, was der Bayer als denkbaren Lösungsweg skizzierte, nicht bloß auf seinem eigenen Mist gewachsen. „Wir haben natürlich intern diskutiert, wie wir der SPD ihren Weg erleichtern könnten“, sagt ein mit den Vorgängen Vertrauter. 8,50 Euro bei gleichzeitiger Möglichkeit gewisser Abweichungen und Ausnahmen etwa für einzelne Regionen oder Branchen – diese Seehofersche Skizze entsprach durchaus Überlegungen, wie sie die Unionssondierer angestellt hatten.

Am gleichen Morgen machte die SPD intern ihrerseits einen großen Schritt vorwärts. Was ihn ausgelöst hat? Wahrscheinlich kamen mehrere Faktoren zusammen. Denn als die engere SPD-Führung am Donnerstag früh das entscheidende Sondierungstreffen vorbereitete, waren einige Dinge bereits klar. Nach der Absage der Grünen kam nur noch eine große Koalition infrage. Nach dem Montag war klar, dass es sinnlos wäre, von der Union konkrete Vorab-Zugeständnisse zu fordern. Es war aber durch Seehofer auch für jedermann nachlesbar dokumentiert, dass die Union zu Bewegung bereit war.

Die SPD-Spitzen entschlossen sich zum letzten Test. Ein Sechs-Augen-Gespräch ihres Chefs mit Merkel und Seehofer sollte Gewissheit bringen, ob auf die andere Seite Verlass war. Gabriel bat im ausdrücklichen Auftrag seiner Führung um dieses Treffen der Vorsitzenden. Damit hatte er die Vollmacht, den Daumen zu heben oder zu senken. Zugleich bedeutete das Verfahren einen Vertrauensvorschuss, dass interne Zusicherungen Merkels und Seehofers ihre Worte wert sind. Gabriel kam zufrieden zurück. Er hatte die Gewissheit gewonnen, dass in allen wichtigen Fragen vernünftige Lösungen möglich sind – auch beim Mindestlohn.

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