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Politik: Auf den Spuren seines Vorgängers

Der Papst beginnt seinen Besuch in Polen – und wird zum Auftakt in Warschau allen Erwartungen gerecht

Ihrer Vorfreude auf die Papstvisite ließ die Dame mit der Vatikan-Flagge schon zwei Stunden vor dessen Ankunft in Warschau freien Lauf. Benedikt sei „nett, sympathisch, einfühlsam – einfach eine große Persönlichkeit – und unserem verstorbenen Papst sehr ähnlich“, erläuterte die Rentnerin Bronislaw Bieneszewska, warum sie sich schon am Donnerstag früh einen Platz an der Waweslka-Trasse gesichert hatte. Dass er ein Deutscher sei, störe sie „überhaupt nicht“: „Er ist einfach ein guter Papst.“ Einen Blick auf den freundlich winkenden Herrn hinter dem Aquariumglas des Papamobil wollte auch der 23-jährige Student Darek erhaschen: „Ich freue mich, dass Benedikt so schnell nach Polen kommt. Und ich bin vor allem gespannt, was er uns zu sagen hat.“

„Ganz Polen wartet auf Benedikt XVI.“, stimmte die Tageszeitung „Zycie Warzawy“ ihre Leser auf den Beginn der viertägigen Pilgerreise ein. Blitzblank hatte sich Polens Hauptstadt herausgeputzt. Die Reklametafeln, die mit faltigen Frauenhintern für eine Hautcreme warben, wurden genauso entfernt wie die sündigen Botschaften der Erotikclubs: Selbst in den Vororten hatten freiwillige Helferinnen am Abend zuvor deren Werbezettel von den Windschutzscheiben parkender Autos geklaubt. Ihre Erwartungen an den Gast gaben die Gastgeber in Umfragen preis: Er solle viel Polnisch sprechen, oft an seinen Vorgänger Johannes Paul II. erinnern, über die Beziehung zwischen Deutschen und Polen sprechen – und direkt auf die Situation in Polen eingehen.

Allen Erwartungen wurde der 79-Jährige bereits zum Auftakt gerecht. Zwar war der Andrang der Gläubigen deutlich geringer als bei den Pilgerfahrten seines Vorgängers. Doch schon am Flughafen prasselte dem Gast aus dem Vatikan freundlicher Beifall entgegen, als er sich zumindest im ersten Teil seiner Begrüßungsrede geduldig auf Polnisch durch sein Lautschriftmanuskript quälte. Er sei gekommen, um in Polen den Spuren seines „geliebten Vorgängers“ zu folgen, der mit seinem Wort und dem Beispiel seines Lebens „den Glauben immer gestärkt habe“, so Benedikt. In Auschwitz wolle er zum Abschluss seiner Reise Überlebende des Nazi-Terror treffen, kündigte er auf Italienisch an: „Wir werden alle zusammen beten, dass die Wunden des letzten Jahrhunderts verheilen.“

An die Wunden, die der deutsche Überfall auf Polen während des Zweiten Weltkriegs schlug, erinnerten die Denkmäler, die der Papst bei seiner von zehntausenden Gläubigen umjubelten Fahrt in das Stadtzentrum passierte. Vergeblich hatten die Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die sich vor dem Ghetto-Denkmal versammelt hatten, auf eine kurze Begegnung mit dem Papst gehofft: Aus Zeitgründen verzichtete er auf eine Pause.

In der Warschauer Kathedrale erinnerte Benedikt bei seinem Treffen mit tausend Geistlichen jedoch erneut an den Krieg: Jeder Stein der von den Deutschen zerstörten Kirche spreche „von der tragischen Geschichte eurer Hauptstadt und eures Landes“. In unerwarteter Offenheit ging der Kirchenführer auch auf die derzeitigen Schwierigkeiten von Polens Kirche ein. Es gebe „Sünder in der Kirche“, erinnerte der Papst an das Problem der Stasi-Vergangenheit vieler Geistlicher. Gleichzeitig mahnte er zur „Demut“ bei der Verurteilung der Vergangenheit: „Wir müssen uns gegen den arroganten Anspruch wappnen, über Generationen zu richten, die in anderen Zeiten lebten.“

Thomas Roser[Warschau]

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