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Politik: Auf der Seite der extremen Mitte

Der Wahlkampf produziert Ulk und Fälschungen im Internet – selbst Stimmen werden zum Verkauf angeboten

Von Kurt Sagatz

Nicholas Negroponte, der große Vordenker des Internets, erkannte es schon vor Jahren: Ein Computer weiß nicht, ob ein Mensch oder ein Hund vor ihm sitzt. Auf das Internet übersetzt bedeutet dies, dass auch hier niemand genau wissen kann, mit wem er per E-Mail kommuniziert oder wer hinter einer Website steckt.

Wahrheit oder Fälschung, Wahlmanipulation oder Kunstaktion, Demagogie oder politischer Protest? Worum es sich bei einigen Internet-Seiten tatsächlich handelt, darüber sind gerade in diesen letzten Tagen vor der Bundestagswahl Zweifel angebracht. Denn welchem Zweck diente die Website www.cashvote.com nun wirklich? Wurde dort tatsächlich mit Wahlstimmen gehandelt oder war es wirklich nur eine Form politischer Satire, wie der Betreiber der Seite – die „Partei der extremen Mitte“ – nun nach den Medienberichten vom Wochenende behauptet.

Zehn Euro sollte jedermann erhalten, wenn er sein Kreuz an einer vorgegebenen Stelle macht. Und rund 60 000 Euro sollte die fremdgesteuerte Wahlentscheidung im Zehntausender-Paket kosten, suggerierte die Internet-Seite. Nun jedoch soll alles nur ein satirisches Mittel zum Zweck gewesen sein, der laut der „Partei der extremen Mitte“ darin besteht, sich „ausschließlich friedlich für eine Neuverschaltung der Nervenzellen“ zu engagieren. Tatsächlich sei niemals Geld für Stimmen gezahlt worden, sei keine einzige Stimme gekauft worden. Wie es wirklich war, das werden nun der Staatsanwalt und der Bundeswahlleiter zu prüfen haben.

Eine professionell aussehende Seite können selbst Amateur-Webmaster ins Internet stellen. Cashvote ist dabei kein Einzelfall. Derzeit schreibt die „Deutsche Gesellschaft zur Information über Kernenergie“ quer durchs Bundesgebiet Bürgermeister an mit einer äußerst delikaten Frage: Da die CDU plane, nach einer erfolgreichen Wahl 50 bis 70 neue Kernkraftwerke zu bauen – so die Behauptung – wolle die Gesellschaft nun herausfinden, ob in der angeschriebenen Gemeinde Platz für eines der neuen Akw vorhanden wäre. Für weitere Informationen wird auf die Website www.info-kernenergie.de verwiesen. Doch diese ist genauso falsch wie das Anschreiben. Die Gesellschaft existiert nicht, die Kontaktpersonen sind offenbar reichlich virtuell. Real ist hingegen der Schaden, den cashvote und info-kernenergie.de angerichtet haben. Die Täuschung hat eine neue Qualität erreicht. Und die Glaubwürdigkeit des Internets droht auf den Hund zu kommen – allerdings anders als es Nicholas Negroponte voraussehen konnte.

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