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Protest. Kopten demonstrieren vor einer Kirche in Kairo gegen den unzureichenden Schutz christlicher Einrichtungen durch die Polizei. Foto: Reuters

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Politik: Auf der Spur

Tausende Kopten gehen auf die Straße / Polizei: Attentäter hatte „asiatisches Aussehen“

Auch am vierten Tag nach dem verheerenden Bombenanschlag in Alexandria kommt Ägypten nicht zur Ruhe. Die Ermittlungen konzentrieren sich jetzt auf einen abgerissenen Kopf, den niemand aus der betroffenen koptischen Gemeinde identifizieren konnte. Möglicherweise handelt es sich um den Selbstmordattentäter, der in der Neujahrsnacht 23 Menschen mit in den Tod riss. Spezialisten versuchen nun, für ein Fahndungsfoto das Gesicht des Menschen wiederherzustellen, der angeblich lange Haare trug und ein „asiatisches Aussehen“ hatte. Offenbar gehen die Fahnder in Alexandria nicht mehr davon aus, dass die Bombe in einem Fahrzeug versteckt war und per Fernbedienung gezündet wurde, wie zunächst angenommen. Nach bisherigen Erkenntnissen hat der Attentäter entweder an dem direkt vor dem Portal geparkten Auto gewartet oder sich in die Menge gestürzt, die aus der Kirche strömte.

Bisher hat sich niemand zu der Mordtat bekannt, auch wenn eine Al-Qaida- Website die „Kirche der zwei Heiligen“ zusammen mit 50 weiteren Gotteshäusern Anfang Dezember auf einer Liste möglicher Ziele aufführte. Die Polizei verhörte inzwischen alle Besitzer der Autos, die in der Tatnacht vor der Kirche geparkt waren. Auch Fluglisten der letzten Wochen mit Passagieren aus Irak, Jemen, Afghanistan und Pakistan werden geprüft. Denn die Ermittler schließen nicht aus, dass vor dem Anschlag ein Terrorplaner von Al Qaida nach Ägypten gekommen sein könnte, um Kontakt zu lokalen Militanten aufzunehmen und einen Selbstmordattentäter zu rekrutieren.

Als Drahtzieher könnten aber ebenso gut ägyptische Radikale infrage kommen, die sich von Al Qaida zu dieser Tat angestachelt fühlten. Denn Alexandria ist nicht nur die liberale mediterrane Hafenmetropole mit ihrer großen antiken Vergangenheit, sie ist auch eine Hochburg der Muslimbruderschaft, die Gewalt allerdings ablehnt, und Sammelbecken aller Arten salafistischer Radikaler. Ende Oktober hatte die Gruppe „Islamischer Staat des Irak“, die eine Filiale von Al Qaida ist, nach ihrem Massaker in der syrisch-katholischen Kathedrale von Bagdad auch „die hündische koptische Kirche“ zu einem „legitimen Ziel“ erklärt (siehe Artikel unten).

Am Montagabend gingen im Kairoer Stadtteil Schubra erneut mehrere tausend Demonstranten auf die Straße. Auf der Kairoer Ringautobahn versuchten Gruppen, die sechsspurige Straße mit brennenden Reifen zu blockieren. In Teilen der 25-Millionen-Metropole kam der Autoverkehr am Abend komplett zum Erliegen. Die mit Helmen und Schlagstöcken bewaffneten Sondertruppen der Polizei versuchten, die aufgebrachte Menge einzukesseln und zu zerstreuen. Dabei wurden nach Augenzeugenberichten zahlreiche Menschen durch Knüppel und Steinwürfe von Polizisten verletzt. Offenbar hat die Einsatzführung inzwischen wieder ein härteres Vorgehen angeordnet, nachdem sich die Spezialeinheiten zunächst für ägyptische Verhältnisse relativ zurückhaltend benommen hatten. Auch für Dienstagabend riefen koptische Jugendliche in Kairo erneut zu einer Demonstration auf und ignorierten damit einen Aufruf von Papst Shenouda III., der seine Gläubigen eindringlich zu Besonnenheit und Ruhe mahnte.

Allerdings gab es auch muslimische Protestaktionen gegen den Anschlag auf die christliche Kirche in Alexandria. An der islamischen Al-Azhar-Universität in Kairo versammelten sich etwa 2000 Studenten. Sie riefen: „Ich bin Muslim, und ich lehne dies ab“ und „Wir sagen Nein zu denjenigen, die Ägypten in Brand setzen wollen“.

Im Umkreis der attackierten Kirche in Alexandria dagegen blieb es wegen der enormen Polizeipräsenz ruhig. Dicht an dicht stehen hier die Polizisten. Keiner soll den Ort des Anschlags sehen und schon gar nicht fotografieren. Nur als eine Firma beginnen will, die mit Blut und Körperfetzen beschmierte Fassade zu reinigen, schreiten empörte Gläubige und die vier Pfarrer der Gemeinde ein. Man werde die Spuren der Opfer so lange nicht beseitigen, bis die Täter ermittelt und gefasst seien, erklärten sie. Die Weihnachtsmesse soll trotz des Terroranschlags stattfinden. Die koptischen Christen feiern als Orthodoxe die Geburt Jesu in der Nacht zum 7. Januar, der ein staatlicher Feiertag in Ägypten ist.

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