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Karl Lauterbach, SPD, findet die Stiko-Impfempfehlung berücksichtige nicht alle Altersgruppen.

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Update

„Müssen auch Antwort für den 40-Jährigen haben": Karl Lauterbach fordert „klare“ Impfempfehlungen für alle Altersgruppen

Die Stiko empfiehlt die vierte Impfung für Über-70-Jährige. Nun spricht sich der Gesundheitsminister für umfangreichere Angaben aus.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat sich für „klare Empfehlungen“ auch für Menschen unter 60 oder 70 Jahren ausgesprochen, ob und in welchen Fällen eine vierte Corona-Impfung ratsam ist. „Natürlich wollen auch die Jüngeren wissen, was sie denn nun machen sollen. Wir brauchen jetzt klare Empfehlungen für alle Altersgruppen“, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

„Wir sollten nicht nur sagen, was die über 70-Jährigen machen sollen“, erläuterte Lauterbach. „Wir müssen auch eine Antwort für den 40-Jährigen haben. Sollte er sich auf keinen Fall impfen lassen? Oder nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel bei sehr vielen Kontakten am Arbeitsplatz? Oder nur, wenn der Hausarzt das empfiehlt? Man braucht für jedes Alter eine Botschaft.“

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Spätestens, wenn die neuen an die Omikron-Variante angepassten Impfstoffe da seien, „sollte es klare Ansagen auch für die unter 60-Jährigen geben“.

Bereits am Samstag haben die deutschen Hausärzte an ältere Bevölkerungsgruppen appelliert, sich ein viertes Mal gegen das Coronavirus impfen zu lassen. „Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission gibt den Rahmen vor, an dem sich die Hausärzte orientieren“, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ vom Samstag.

Stiko empfiehlt die vierte Impfung für Menschen ab 70 Jahren

„Die Stiko-Empfehlung sagt, dass die vierte Impfung aktuell für Ältere und Hochgefährdete empfohlen wird.“ Der Fokus sollte daher jetzt auf den Gefährdeten liegen, gerade auch weil sich bisher deutlich zu wenige von ihnen zu einer vierten Impfung entschlossen hätten, sagte Weigeldt weiter.

Die Stiko empfiehlt die vierte Impfung für Menschen ab 70 Jahren. Die Europäische Union hat die Empfehlung für alle ab 60 Jahren ausgeweitet. Weigeldt sagte dazu: „Die Impfung ist am Ende des Tages eine Entscheidung zwischen Patient und Arzt.“

Dabei müsse immer die individuelle Situation des einzelnen Patienten betrachtet werden. „Ob jemand 69 oder 70 ist, wird dabei natürlich nicht die alles entscheidende Frage sein, denn am 70. Geburtstag wird ja kein Schalter umgelegt“, sagte Weigeldt.

Hausärzte empfehlen Risikogruppen die vierte Coronaimpfung.
Hausärzte empfehlen Risikogruppen die vierte Coronaimpfung.

© dpa/Julian Stratenschulte

„Ein jüngerer Patient mit Vorerkrankungen kann gefährdeter sein als ein 70-Jähriger, der topfit ist. Daher ist es so wichtig, dass sich die Patientinnen und Patienten an jemanden wenden können, der sie und ihre Krankheitsgeschichte kennt.“

Der Verbandsvorsitzende warnte auch vor einer Impflücke. Ein Punkt, der in der öffentlichen Diskussion aktuell ein wenig übersehen werde, sei, dass Millionen von Menschen noch die erste beziehungsweise die dritte Impfung fehle, sagte Weigeldt.

„Wir brauchen daher eine positive Impfkampagne – nicht nur für die vierte Impfung, sondern auch, um die Impflücken bei der ersten und der dritten Impfung zu schließen.“

Immunologe empfiehlt hingegen, auf angepassten Impfstoff zu warten

Im Gegensatz zu Weigeldt sieht der Immunologe Carsten Watzl aktuell Gründe, mit einer vierten Corona-Impfung noch auf an die Omikron-Variante angepasste Vakzine zu warten. „Da die angepassten Impfstoffe hoffentlich nächsten Monat kommen, kann man jetzt auch warten, wenn man die vierte Impfung bisher noch nicht gemacht hat“, sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag).

Carsten Watzl ist Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI) und wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund
Carsten Watzl ist Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI) und wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund

© Pressestelle Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dor

„Die Impfung mit den angepassten Impfstoffen verstärkt noch einmal die Immunität gegenüber Omikron und sie werden wahrscheinlich auch einen gewissen Schutz vor Infektionen bieten.“

Watzl erläuterte, wenn man sich jetzt zum vierten Mal mit den bisherigen Impfstoffen impfen lasse, sollte man mindestens drei bis sechs Monate warten bis zur nächsten Impfung. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte jüngst gesagt, er erwarte zum Herbst vier neue, angepasste Impfstoffe mit Zulassung frühestens am 9. September.

Amtsärzte schätzen Dunkelziffer bei Corona-Fällen als sehr hoch

Die offiziellen Corona-Zahlen für Deutschland bilden laut dem Amtsärzteverband nur einen Teil der tatsächlichen Infektionsfälle ab. Er schätze die Corona-Dunkelziffer auf etwa zwei- bis dreimal so hoch, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖDG), Johannes Nießen, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Samstag. Die Hausärzte riefen Risikogruppen dazu auf, sich ein viertes Mal impfen zu lassen.

Die amtliche Zahl der Corona-Fälle ergibt sich aus den gemeldeten positiven PCR-Tests abzüglich der Verstorbenen. Zunehmend sei es aber so, „dass Personen sich einem Antigentest unterziehen und keinen PCR-Test mehr durchführen", erläuterte Amtsärzte-Funktionär Nießen. "Dies führt zu einer Untererfassung der Infektionen.“ Das Corona-Monitoring von Abwasser und Antikörperstudien von Blutspenden gäben Hinweise auf diese Untererfassung.

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz am Samstagmorgen mit 417,2 angegeben. Das geht aus Zahlen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 05.00 Uhr wiedergeben. Am Vortag hatte der Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche bei 432,2 gelegen (Vorwoche: 578,1; Vormonat: 678,8).

Allerdings liefern diese Angaben nur ein sehr unvollständiges Bild der Infektionszahlen. Experten gehen seit einiger Zeit von einer hohen Zahl nicht vom RKI erfasster Fälle aus - vor allem weil bei weitem nicht alle Infizierte einen PCR-Test machen lassen. Nur positive PCR-Tests zählen in der Statistik. Zudem können Nachmeldungen oder Übermittlungsprobleme zu einer Verzerrung einzelner Tageswerte führen.

Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI zuletzt 49 609 Corona-Neuinfektionen (Vorwoche: 66 003) und 141 Todesfälle (Vorwoche: 117) innerhalb eines Tages. Vergleiche der Daten sind auch hier wegen des Testverhaltens, Nachmeldungen oder Übermittlungsproblemen nur eingeschränkt möglich.

Generell schwankt die Zahl der registrierten Neuinfektionen und Todesfälle deutlich von Wochentag zu Wochentag, da insbesondere am Wochenende viele Bundesländer nicht ans RKI übermitteln und ihre Fälle im Wochenverlauf nachmelden.

Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 31 228 314 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden.(AFP, dpa)

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