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Politik: Auf eigene Faust

Die CSU wollte kein Vier-Augen-Gespräch zwischen Merkel und Schröder. In Bayern ist die Überraschung groß

Noch am Dienstagabend, kurz nach 18 Uhr, hatten sich Edmund Stoiber und Angela Merkel telefonisch verständigt: kein Vier-Augen-Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und der Oppositionsführerin! Wenn die Bundesregierung an einer Einigung mit der Opposition über die Gesundheitsreform interessiert sei, dann müsse auf Expertenebene verhandelt werden. Am Sonntag sollen diese Gespräche beginnen, bis zum 11. Juli will man sich verständigt haben. Sollten dann noch Fragen offen und ein Kompromiss in greifbarer Nähe sein, dann könnten sich die Spitzen von Regierung und Opposition – in jedem Fall in Anwesenheit des CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber – gebenenfalls auch noch direkt zusammensetzen. Für Direktgespräche zwischen Angela Merkel und Gerhard Schröder gab es kein Mandat.

Umso größer war am Mittwoch die Überraschung in München, als gegen Mittag bekannt wurde, soeben hätten sich Merkel und Schröder hinter verschlossenen Türen in einem Reichstagsbüro eine Stunde lang getroffen. Nach allem, was über den Inhalt des Gesprächs zwischen Kanzler und Oppositionsführerin später zu erfahren ist, hat Merkel das Gespräch nur dazu genutzt, mitzuteilen, dass es auf dieser Ebene nichts zu verhandeln gibt. Im Grunde, so betont später ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden, habe sie nichts anderes dem Kanzler gesagt, als das, was sie über das weitere Procedere am Vortag mit Stoiber vereinbart habe. Kein Grund also zur Aufregung in München?

Ob es doch noch eine kurzfristige Verständigung zwischen Merkel und Stoiber über das Vier-Augen-Gespräch mit Schröder gegeben hat, darüber weiß niemand etwas zu berichten. Und so bleibt es einstweilen offen, ob sich die CDU-Vorsitzende einfach über den CSU-Chef hinweggesetzt hat oder nicht. Die Irritationen im näheren Umfeld von Stoiber und im zweiten Glied der CSU-Führung sind nicht unbeträchtlich. Denn selbst wenn Merkel sich im Gespräch mit Schröder inhaltlich streng an das zwischen den Unions-Schwestern Vereinbarte gehalten haben sollte, so hat sie formal doch genau das getan, was Stoiber und CSU-Landesgruppenchef Michael Glos auf jeden Fall verhindern wollten: die Eröffnung eines direkten Gesprächs-Kanals unter Ausschluss der CSU.

Schon am Dienstagvormittag hatte Glos vor der Presse seine Vorstellungen über das weitere Vorgehen zwischen Regierung und Opposition dargelegt: keine Gipfel-Diplomatie, sondern nur Verhandlungen auf Expertenebene. Das entsprach dem, was Stoiber und Merkel am Abend des gleichen Tages verabredeten. In der CSU-Führung zog man am Mittwoch jedenfalls historische Parallelen: Als Helmut Schmidt noch Bundeskanzler gewesen sei, hätte es auch immer wieder Gesprächsbedarf mit der Opposition gegeben. Doch CSU-Chef Franz Josef Strauß habe dem Oppositionschef und CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl zutiefst misstraut. In Vier-Augen-Gesprächen könnten die wildesten Sachen verabredet werden, die CSU vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Daher habe Strauß Kohl gezwungen, bei seinen Besuchen des Kanzlers stets den damaligen CSU-Landesgruppenchef Friedrich Zimmermann als Aufpasser mitzunehmen. Nach diesem Muster wolle man es auch heuer halten, wenn Merkel in Richtung Kanzleramt aufbreche. Wer weiß, was die sonst alles verabrede.

Peter Siebenmorgen

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