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Politik: Auf eigene Faust

Dubiose Vermittler hier, fragwürdige Fahnder dort – Irritationen in London und Paris um Irak-Geiseln

Nichts ist gewiss im Drama um die französischen Geiseln im Irak, nur dies steht fest: Größer kann die Verwirrung nicht sein. Der französischen Regierung ist die Krise offenbar entglitten.

Der private Vermittlungsversuch des rechtskonservativen Abgeordneten der Chirac-Partei UMP, Didier Julia, und seines „Beraters“, Philippe Brett, der der rechtsextremen Partei Front National nahe steht, löst in Paris zunehmend Besorgnis aus. Schon bei deren Abreise am vergangenen Donnerstag nach Damaskus sagte ein Sprecher des französischen Verteidigungsministeriums, „diese Initiative könnte mehr für Verwirrung sorgen als irgendeine Lösung bringen“. Staatspräsident Jacques Chirac distanzierte sich am Samstag von den Aktivitäten der beiden Männer, die wenige Stunden zuvor berichtet hatten, der Konvoi mit den beiden befreiten Geiseln sei auf seiner Route nach Syrien von amerikanischen Truppen beschossen worden. Angeblich seien dabei sechs Begleiter der seit 44 Tagen verschleppten Journalisten ums Leben gekommen – was die US-Armee umgehend dementierte.

In Paris überschlagen sich die Gerüchte. Die Zeitung „Libération“ zitierte einen hochrangigen Mitarbeiter des französischen Geheimdienstes mit der Aussage, Julia und Brett seien in der Lage, die beiden Journalisten zu befreien. Yves Bonnet, Ex-Direktor des Geheimdienstes DST hingegen sprach im Fernsehsender LCI von einer „wahrscheinlichen Manipulation von Informationen“. Brett, der der früheren Baath-Partei von Saddam Hussein nahe stand und mit Ex-Außenminister Tarik Aziz befreundet war, berichtete im Sender Europe 1, er habe die beiden Geiseln in Bagdad getroffen und mit den islamistischen Entführern eine „Übereinkunft“ getroffen. Laut „Libération“ soll ihm der afrikanische Diktator Laurent Gbagbo mit Hilfe eines in Paris lebenden saudischen Waffenhändlers ein Flugzeug für seinen „Vermittlungsversuch“ geliehen haben. Regierungschef Jean-Pierre Raffarin versuchte am Samstag, die Lage zu beruhigen und rief zu „Geduld und Umsicht auf, in einem Land, wo schwierige Bedingungen und Chaos herrschen“.

Auch die Affäre um britische Geiseln im Irak gibt Rätsel auf. Holländische und britische Sicherheitsbeamte haben die Amsterdamer Wohnung des Bruders des entführten Kenneth Bigley durchsucht. Paul Bigley sagte, es habe sich um eine „Razzia“ gehandelt, durch die er „wertvolle Zeit zur Rettung seines Bruders“ verloren habe. Man habe ihm das Gefühl gegeben, „ein Krimineller“ zu sein. Die Niederlande und Großbritannien dementierten diese Darstellung. Eine Sprecherin der niederländischen Staatsanwaltschaft sagte, niederländische Beamte hätten lediglich einen „Kontakt“ zwischen dem in Amsterdam lebenden Geschäftsmann und britischen Beamten hergestellt. „Alles, was die Briten mitgenommen haben, wurde freiwillig übergeben.“

Bigley hatte am vergangenen Sonntag mitgeteilt, er habe von „zuverlässigen“ Quellen erfahren, dass sein Bruder lebe. Seine Äußerungen verband Paul Bigley, der nach eigener Angabe über „20 Jahre Nahosterfahrung verfügt“, mit harscher Kritik an Premier Tony Blair: Die Regierung sei untätig in der Geiselaffäre.

Bigley bestritt, direkte Verbindung mit der Gruppe zu haben, die vor 17 Tagen seinen 62-jährigen Bruder in Bagdad entführt hatte. Alle seine Kontakte zu der von Osama bin Ladens Stellvertreter Musab al Sarkawi geleiteten Gruppe „Tauhid wal Dschihad“ gingen über den arabischen TV-Sender Al Dschasira.

Sabine Heimgärtner[Paris], Matthias Thiba

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