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Politik: Auf eigene Rechnung

Das US-Magazin „The New Yorker“ berichtet über israelische Operationen im Nordirak

Es ist eine irre Geschichte. Sie setzt sich aus Quellen zusammen, von denen die meisten anonym bleiben. Sie strotzt vor Dementis. Dennoch spricht vieles dafür, dass sie wahr ist. Die Kurzfassung geht so: Israels Regierung hat den Irakkrieg von Anfang an unterstützt. Doch bereits im Sommer 2003 schlug deren Enthusiasmus in Pessimismus um. Inständig wurde Washington gewarnt: Den Amerikanern drohe ein bewaffneter Aufstand. Deshalb müsse die 1500 Kilometer lange Grenze zum Iran dichtgemacht werden. Von Teheran aus würde der Aufstand genährt. Die USA indes wollten das irakische Volk, soeben erst vom Diktator befreit, nicht isolieren. Das Unheil nahm seinen Lauf.

So beginnt der neueste Scoup von Seymour Hersh. Er steht in der jüngsten Ausgabe des Magazins „The New Yorker“. Wieder hat Hersh Dinge enthüllt, die viele lieber nicht öffentlich diskutiert wissen wollen. Auffällig oft beruft sich Amerikas bester investigativer Journalist diesmal auf deutsche Geheimdienstler. Das könnte mit der Fortsetzung der Geschichte zu tun haben. Denn in ihr spielen Kurden die herausragende Rolle.

Spätestens im Winter vergangenen Jahres kam man in Jerusalem zum Ergebnis, dass die Irakmission der Amerikaner scheitern werde. Der Irak werde weder demokratisch noch stabil sein. In einer privaten Unterredung mit US-Vizepräsident Dick Cheney soll Israels Ex-Premierminister Ehud Barak recht deutlich geworden sein: Die Besatzungsmacht könne nur noch über „die Größe ihrer Erniedrigung“ entscheiden. Daraufhin setzte das Kabinett um Ariel Scharon „Plan B“ in Kraft: Um den Schaden zu begrenzen, müsse Israel seine Beziehungen zu den irakischen Kurden ausbauen.

So geschah es. Von „Kurdistan“ aus unternahmen die Israelis in den vergangenen Monaten bereits verdeckte Operationen in Richtung Iran und Syrien. Israel bildet kurdische Einheiten aus, die nach der Machtübergabe am 30. Juni ein Gegengewicht zu den sunnitischen und schiitischen Milizen bilden sollen. Einige Peschmerga-Kämpfer sollen, nach dem Vorbild israelischer Geheimkommandos, auch geschult worden sein, die aufständischen Kräfte zu infiltrieren und deren Anführer umzubringen.

Die Geschichte über „Plan B“ liest sich wie ein Krimi. Was passiert, wenn die Kurden nach dem Machttransfer versuchen sollten, die irakische Stadt Kirkuk mit ihren erheblichen Ölreserven zu kontrollieren? Wie reagieren die Türken, falls die Kurden ihre Unabhängigkeit ausrufen? Wer geglaubt haben sollte, im Irak könne es viel schlimmer nicht mehr werden, wird sich wohl recht bald schon getäuscht haben. Es wird dort, wie einer der Informanten orakelt, wie auf dem Balkan werden – mit einem entscheidenden Unterschied: „Auf dem Balkan gab es kein Öl.“

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