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Politik: Auf Erneuerungskurs

Frankreichs Sozialisten hadern nach den Wahlniederlagen noch immer mit sich

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy lässt nicht nur seiner eigenen Regierung, sondern erst recht der linken Opposition kaum Platz in der Öffentlichkeit. Jetzt starteten die Sozialisten an ihrer traditionellen Sommeruniversität in La Rochelle am Wochenende zu einer vermutlich langen Aufholjagd.

„Und die bewegt sich doch!“, spottete am Montag die linke „Libération“ über die Sozialistische Partei (PS). Solcher Hohn trifft die wichtigste Oppositionspartei hart, hat sie es doch ohnehin schwer seit ihrer doppelten Niederlage bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Frühjahr. Dass es um die Sozialisten so still geworden ist, hat zwei Gründe. Erstens ist der rechte Staatspräsident Nicolas Sarkozy so omnipräsent in den Medien, dass er mit seinen Initiativen allein die aktuelle Berichterstattung bestimmt – die Opposition ist durch die politische One- Man-Show praktisch zum Schweigen verurteilt. Zweitens hat der Staatschef die Linke völlig überrumpelt und destabilisiert, indem er zuerst Regierungsmitglieder und danach Berater und Experten aus den Reihen prominenter Sozialisten engagierte. Intern hadern die Mitglieder des PS mit sich selber: Während die einen immer noch die besiegte Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal verantwortlich machen, beschuldigen andere die Parteiführung, dass sie die Kandidatin nur halbherzig unterstützt habe.

Die traditionelle Sommeruniversität im Atlantikhafen von La Rochelle stand deshalb unter dem Motto „Diagnose zur Erneuerung“. Damit gibt die Partei zu, dass es nicht zum Besten um sie steht. Sie signalisiert ihren Willen, gewisse Ladenhüter aus ihrem bisherigen politischen Sortiment zu entfernen und sich zu modernisieren. Selbstdiagnosen sind heikel: Sehr schnell kann eine Debatte über die Ursachen der Niederlage in gegenseitige Schuldzuweisungen ausarten. Einige besonders exponierte Führungsfiguren – Dominique Strauss-Kahn, Jack Lang oder Lionel Jospin – waren darum denn auch gar nicht erst nach La Rochelle gekommen.

Ségolène Royal und ihrem Ex-Lebenspartner, Parteichef François Hollande, gelang es, sich beim Treffen nie über den Weg zu laufen. Die Ex-Kandidatin Royal gab sich in jeder Hinsicht konziliant. Wie die Partei insgesamt spielt auch sie auf Zeit, um ihre Revanche für 2012 vorzubereiten. Ein interner Putsch der „Royalisten“ zur Eroberung der Parteiführung steht nicht mehr auf der Tagesordnung. Auf der anderen Seite erklärte der umstrittene Hollande, der 2008 seinen Posten abgeben will, radikale Umwälzungen stünden nicht an – und die 35-Stunden- Woche sei durchaus keine heilige Kuh, die Frage einer Erhöhung des Rentenalters, das derzeit bei 60 Jahren liegt, kein Tabu für die Sozialisten.

In der Presseschau am Montag überwog eine wohlmeinende Kommentierung, wonach die Sozialisten vor allem ihre Einheit beschworen und in La Rochelle einer riskanten plötzlichen Kursänderung einen langen Marsch vorgezogen hätten. Die Rivalitäten seien zu diesem Zweck vorerst unter den Teppich gekehrt worden. „Die Frage der personellen Führung kommt nach der politischen Klärung“, stellte der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë apodiktisch fest. Er wird, gemessen am Applaus an der Sommeruniversität, in einigen Artikeln als der kommende Mann der Partei gefeiert und von der Sonntagszeitung „Journal du Dimanche“ zum „König von La Rochelle“ gekrönt. Das Vakuum an der Parteispitze lässt viel Raum für Spekulationen.

Rudolf Balmer[Paris]

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