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Politik: Auf ewig

Von Martin Jordan, Mexiko-Stadt Auffallend häufig ist in den vergangenen Wochen in Kuba von Volksbefragungen die Rede gewesen. Zunächst reichte eine Gruppe von Dissidenten Mitte Mai beim nationalen Volkskongress eine Unterschriftensammlung ein, mit der 11 000 Menschen eine Volksabstimmung über demokratische Reformen verlangten.

Von Martin Jordan,

Mexiko-Stadt

Auffallend häufig ist in den vergangenen Wochen in Kuba von Volksbefragungen die Rede gewesen. Zunächst reichte eine Gruppe von Dissidenten Mitte Mai beim nationalen Volkskongress eine Unterschriftensammlung ein, mit der 11 000 Menschen eine Volksabstimmung über demokratische Reformen verlangten. Mitte Mai hatte der frühere amerikanische Präsident Jimmy Carter Kuba besucht und politische Reformen, aber auch eine sofortige Aufhebung des US-Handelsembargos gegen Kuba gefordert. Kurz darauf erklärte US-Präsident George W. Bush, ein Ende des Embargos komme nur in Frage, wenn sich die Kubaner in freien Wahlen äußern könnten. Nun setzt auch Staatschef Fidel Castro auf die freie Meinungsäusserung seines Volkes. Allerdings etwas anders, als Bush sich das vorgestellt haben dürfte.

In knapp 130 000 Abstimmungslokalen sollen die Kubaner von Samstag bis Dienstag zu einer Petition Stellung nehmen, mit der die sozialistische Staatsform in der Verfassung als „unantastbar“ festgeschrieben werden soll. Das letzte Wort ist dem nationalen Parlament vorbehalten, welches die Verfassungsänderung beschliessen muss. Am Mittwoch hatten nach Regierungsangaben bei der größten Demonstration in der Geschichte Kubas rund neun Millionen Menschen den politischen Kurs von Castro unterstützt. Das wären fast 80 Prozent der Bevölkerung, trotzdem traut der „Maximo lider“ seinem Volk nicht ganz über den Weg – sonst hätte er die Entscheidung dem Volk überlassen können.

Das sozialistische Regime ist sich offensichtlich nicht im Klaren darüber, wie es mit der von den Dissidenten Mitte Mai eingereichten Unterschriftensammlung umgehen soll. Das Reformvorhaben fordert unter anderem freie Wahlen und die Freilassung aller politischer Gefangener. Bisher wurde von Regierungsseite nicht bekannt gegeben, ob das sogenannte „Projekt Varela“ eine Volksabstimmung über demokratische Reformen zur Folge haben wird. Die nun eiligst einberufene Volksbefragung über die Verankerung der sozialistische Staatsform für ewige Zeiten in der Verfassung, will dem Projekt vermutlich den Wind aus den Segeln nehmen.

Falls sich eine deutliche Mehrheit für die Unantastbarkeit des sozialistischen Systems ausspricht – was anzunehmen ist – dürfte die Abstimmung über die Anerkennung bürgerlicher Grundrechte in den Augen des Regimes überflüssig sein.

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