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Politik: Auf Kirchner folgt Kirchner

Die Frau des Präsidenten kandidiert in Argentinien ohne ernst zu nehmende Konkurrenz für das höchste Amt im Staat

Argentinien ist extrem: Vor fünf Jahren stand das südamerikanische Land am Abgrund, erklärte die Zahlungsunfähigkeit, mehrere Präsidenten lösten einander innerhalb weniger Wochen ab, und die Bürger verbrachten ihre Tage bei Protestkundgebungen. Nun floriert die Wirtschaft, aus Demonstranten sind Funktionäre oder Unternehmer geworden, und bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag wird wohl erstmals eine Frau demokratisch zur Präsidentin gewählt werden.

Umfragen zufolge kann Cristina Fernandez de Kirchner, die Frau des amtierenden Staatschefs, mit 41 Prozent bereits in der ersten Runde die Wahl für sich entscheiden und ihren Mann beerben. Die zersplitterte Opposition dürfte demnach nicht viel mehr als eine Statistenrolle spielen. Die Zweitplatzierte, die Linkskandidatin Elisa Carrio, erreicht 14 Prozent. Für den Sieg in der ersten Runde sind 45 Prozent oder 40 Prozent und ein Vorsprung von mindestens zehn Punkten nötig.

„Langweilig“ nannten Kommentatoren der bürgerlichen Presse den Wahlkampf, der mehr einer One-Woman-Show glich als einer politischen Debatte, der Cristina im Übrigen konsequent auswich. Hier ein Foto mit Hillary Clinton, dort eines mit Angela Merkel, in New York ein Treffen mit der einflussreichen jüdischen Gemeinschaft und Unternehmern, dazwischen shoppen bei Edeldesignern und Besuche bei Starfriseuren – den Vergleich mit ihrer berühmten Vorgängerin Evita, der ebenso ehrgeizigen und glamourösen Gattin von Juan Peron, scheut sie zwar öffentlich, pflegt ihn aber mit großem Aufwand.

Warum Nestor Kirchner entschieden hat, nicht noch einmal anzutreten und stattdessen seine Frau ins Rennen zu schicken, ist nicht bekannt. Zwar sanken seine Popularitätswerte in den vergangenen Monaten nach ungeschickt gemanagten Korruptionsaffären und sozialen Protesten, aber sie lagen trotzdem noch immer leicht über denen seiner Frau. Politologen spekulieren, Kirchner wolle eine Dynastie gründen, sich während des Mandats seiner Frau um den Wiederaufbau der darniederliegenden peronistischen Partei nach seinen Vorstellungen kümmern und bei der nächsten Wahl dann erneut antreten.

Unklar ist auch, ob die attraktive 54-Jährige mit dem langen, kastanienbraunen Haar die Politik ihres Mannes fortsetzen oder neue Akzente setzen wird. Bislang funktionierten die Kirchners als Paar – sie war Senatorin, an allen wichtigen Entscheidungen beteiligt und kümmerte sich im Parlament um geschlossene Reihen. Beobachter halten sie für die pragmatischere, die sich eleganter auf internationalem Parkett bewegen und Kompromisse schließen kann. Etwas, was ihr Mann verabscheute. So übt Cristina zwar wie er den Schulterschluss mit dem linksnationalistischen venezolanischen Staatschef Hugo Chavez, der Argentinien mit dem Aufkauf von Schuldentiteln finanziell unterstützt, doch sie traf sich in Caracas auch mit der jüdischen Gemeinde, die in Opposition zu Chavez steht.

Nach Ansicht des Politologen Rosendo Fraga werden die Kirchners weiter gemeinsam regieren: Cristina als Repräsentantin und Verhandlungsführerin, ihr Mann als Wadenbeißer, der ihr innenpolitisch den Rücken freihält. Unterschiede in der Form, nicht im Inhalt erwartet er. Wirklich in die Karten schauen lassen sich die Kirchners nicht. Interviews geben sie nur ausgewählten, ihnen nahestehenden Journalisten, Pressekonferenzen scheuen sie, ja nicht einmal Kabinettsssitzungen gab es unter Nestor Kirchner: Die Entscheidungen wurden im Kreise weniger Vertrauter bei einem Abendessen in der Präsidentenresidenz getroffen.

Leicht wird es nicht werden für die neue Präsidentin. Das anhaltende Wirtschaftswachstum hat in Argentinien eine hohe Inflation – offiziell knapp zehn Prozent –, Güterknappheit und Energieprobleme verursacht, die strukturell und nicht wie bisher nur punktuell mit staatlich festgesetzten Höchstpreisen und eingefrorenen Tarifen gelöst werden müssen. Dazu werden mehr Investitionen benötigt. Die Armut ging zwar von fast 50 auf 25 Prozent der Bevölkerung zurück, doch an der ungerechten Reichtumsverteilung hat sich UN-Statistiken zufolge fast nichts geändert. Noch immer verdienen die zehn Prozent der Reichsten 30 Mal mehr als die zehn Prozent Ärmsten. Das ist – zusammen mit einer mafiösen Polizei – ein Grund für die steigende Kriminalität, die Umfragen zufolge das dringendste Problem der Argentinier ist.

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