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Politik: „Auf Knopfdruck funktioniert nichts“

Sachsens Ministerpräsident Milbradt über die Durststrecken nach einem möglichen Regierungswechsel

Der Wahlsieg scheint für die Union greifbar nahe, aber noch weiß niemand, was sie nach einem Sieg tun will. Worum geht es?

Es geht um eine grundlegende Wende in Deutschland. Die nächste Bundesregierung steht mit dem ersten Tag ihrer Amtszeit vor größeren Problemen als jede ihrer Vorgängerinnen. Wir müssen schnell und entschlossen an die großen Fragen heran: Arbeitslosigkeit, Wachstumsschwäche, Kollaps der Sozialsysteme.

Aber wie? Hat die Union Angst davor, dem Wähler reinen Wein einzuschenken?

Keineswegs, wir arbeiten zügig an unserem Programm. Eines scheint mir dabei unerlässlich: Wir müssen wirklich klar sagen, was kommen wird, und dann regieren, ohne bereits am ersten Tag auf die nächsten Wahltermine zu schielen. Eine Wende zum Guten in Deutschland ist nur möglich, wenn wir den Mut haben, das Richtige zu tun, selbst auf das Risiko hin, nach vier Jahren wieder abgewählt zu werden. Effektive Maßnahmen werden sicherlich zwei, drei Jahre brauchen, bis sie zu einer spürbaren Erholung der Wirtschaft führen. Auf Knopfdruck funktioniert da gar nichts. Es wird Durststrecken geben, am Anfang Schmerzen. Es braucht Kraft und Mut, das durchzustehen. Wenn wir uns aber im Wahlkampf um ein klares Mandat für unsere Politik bemühen, dann ist das Risiko begrenzt.

Wo liegen denn die Prioritäten?

Wir müssen die zerrütteten Staatsfinanzen konsolidieren, demografiefeste Reformen der Sozialsysteme angehen und das Steuersystem umbauen. Nur eine Politik aus einem Guss kann die Wende auf dem Arbeitsmarkt einleiten und die Basis für stabiles Wachstum schaffen.

Können Sie das am Beispiel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erläutern?

Da muss vieles gleichzeitig greifen: Die Finanzierung der Sozialversicherungen sollte zumindest teilweise von den Arbeitskosten abgekoppelt werden. Dann muss die Arbeitsgesetzgebung flexiblere Beschäftigungsmöglichkeiten ermöglichen. Und, nicht zuletzt, müssen wir wegkommen von der jetzigen Bewirtschaftung der Arbeitslosigkeit im Rahmen der Sozialhilfe hin zu einem System staatlicher Lohnergänzungsleistungen. Es ist sinnvoller, Niedriglöhne aufzustocken, als Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Nur mit Optimismus und etwas besseren Wachstumsraten werden wir das Problem der Arbeitslosigkeit nicht lösen.

Nicht alles geht am ersten Tag. Wo liegen die Prioritäten, was ist die Reihenfolge?

Manches, wie eine umfassende Steuerreform, braucht einen längeren Vorlauf. Das wird realistischerweise erst zur Mitte der kommenden Legislaturperiode kommen können.

Zuvor nur die höhere Mehrwertsteuer !

Nicht mit mir! Wenn wir daran gehen, darf die Belastung insgesamt trotzdem nicht steigen. Es ist schlimm genug, dass wir die Ökosteuer noch nicht abschaffen können, weil es einstweilen nicht anders geht. Aber neue Steuern zum Stopfen von Haushaltslöchern oder zur Finanzierung von Sozialsystemen, die nicht zukunftsfähig sind, darf es nicht geben.

Es wird also noch ein, zwei Jahre dauern?

Ja, weil die Gesamtbelastung von Bürgern und Wirtschaft nicht höher werden darf.

Das heißt: massive Kürzungen der Ausgaben. Auch nicht sehr populär …

… Aber anders geht es nicht. Wir müssen alle staatlich finanzierten Leistungsstandards, nicht nur die sozialen, auf den Prüfstand stellen und dem Finanzierbaren wieder annähern.

Was heißt das konkret?

Überall dort, wo wir Normen oberhalb der EU haben, etwa im Straßenbau.

Süditalienisches Niveau haben unsere Autobahnen heute schon teilweise …

Es geht um den Grundsatz: Was die anderen billiger hinbekommen, weil sie auf manchen Luxus verzichten, muss auch für uns gelten. Wir dürfen uns nur noch das leisten, was unserer wirtschaftlichen Leistungskraft entspricht. Lieber nachrüsten, wenn es wieder Spielräume gibt.

In Wahlkämpfen blühen die Rentenlügen. Bleibt die Union dieses mal ehrlich?

Der grundlegende Umbau des Rentensystems ist keine Aufgabe für die kommenden vier Jahre. Die Umstellung der Pflegeversicherung auf Kapitaldeckung – das kann man eher schnell machen.

Für die Rentner bleibt alles beim Alten?

Das Niveau wird nicht steigen können. Unter dem doppelten Druck der Demografie und des schlechten Wachstums wird weniger zu verteilen sein. Da kriegen wir eine schnelle Reform nicht hin.

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