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Politik: Auf Nimmerwiedersehen

Deutschland will den „Kalifen von Köln“ in die Türkei abschieben – nach der Abschaffung der Todesstrafe könnte das gelingen

Von Thomas Seibert, Istanbul

Die türkischen Behörden haben sich in den vergangenen Jahren an frustrierende Antworten aus Europa gewöhnt, wenn es um Auslieferungsersuchen für politische Extremisten oder Kriminelle ging: Da in der Türkei die Todesstrafe gelte, so hieß es immer wieder aus den europäischen Hauptstädten, komme eine Auslieferung an Ankara leider nicht infrage. Doch nun hat das türkische Parlament mit der Abschaffung der Todesstrafe in Friedenszeiten ein wichtiges Auslieferungshindernis beseitigt. So könnte der in Deutschland inhaftierte Chef des „Kalifatsstaates“, Metin Kaplan, schon bald an die Türkei überstellt werden.

Das hofft zumindest Innenminister Otto Schily (SPD), der – allerdings ohne einen Termin zu nennen – eine Reise in die Türkei angekündigt hat, um über die Kaplan-Auslieferung zu verhandeln. Zumal den deutschen Behörden die Vorstellung, den islamistischen Extremisten nach der Verbüßung seiner Haftstrafe einfach wieder auf freien Fuß zu setzen, nicht besonders gefällt.

Allerdings gibt es auch nach Streichung der Todesstrafe keinen Automatismus bei der Auslieferung: Andere Gründe, etwa eine „reale Foltergefahr“, können nach Angaben europäischer Diplomaten weiter gegen eine Auslieferung an die Türkei sprechen. Doch die Chancen der Türken auf Erfolg ihrer Anträge sind beträchtlich gestiegen. Deshalb lässt das Justizministerium nun auch einen ganz neuen Auslieferungsantrag für Kaplan aufsetzen, nachdem alle früheren Versuche Ankaras an der Todesstrafe scheiterten.

Kaplan wird in der Türkei vorgeworfen, bei den 75-Jahr-Feiern der Türkischen Republik 1998 einen Anschlag auf die am Atatürk-Mausoleum in Ankara versammelte Staatsspitze geplant zu haben. Darauf stand bis zur Parlamentsentscheidung am vergangenen Samstag der Tod durch Erhängen. Nun aber hätte Kaplan bei einer Verurteilung in der Türkei „nur“ noch lebenslange Haft ohne Aussicht auf vorzeitige Freilassung zu befürchten.

Eine Auslieferung Kaplans wäre ein politischer Triumph für Ankara. Die türkische Regierung fühlte sich in der Vergangenheit durch das Nein der Europäer in Abschiebefragen immer wieder gedemütigt. Nie war die Wut größer als Ende 1998: Damals tauchte PKK-Chef Abdullah Öcalan in Italien auf, doch die Regierung in Rom lehnte eine Auslieferung an die Türkei wegen der drohenden Todesstrafe ab. Nach der Aufhebung der Todesstrafe könnten nun PKK-Aktivisten nach einer Verhaftung in Deutschland oder anderen europäischen Ländern leichter nach Ankara abgeschoben werden.

Es geht aber nicht nur um Islamisten wie Kaplan oder kurdische Rebellen wie Öcalan. Selbst wenn keine Politik im Spiel war, konnten die türkischen Behörden bisher allenfalls durch juristische Verrenkungen auf die Auslieferung eines Gesuchten hoffen. So musste sich die Türkei vor einigen Jahren vor der Auslieferung des türkischen Mafia-Königs Alaattin Cakici aus Frankreich verpflichten, den Schwerverbrecher nicht wegen Mordes vor Gericht zu stellen, sondern wegen minderer Vergehen. Nun könnte es doch noch einen Mordprozess gegen Cakici geben.

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