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Politik: Auf Staatsbesuch in einem bankrotten Land

Trotz der Argentinienkrise will Bundeskanzler Gerhard Schröder am Sonntag seine Lateinamerika-Reise nach Mexiko, Brasilien und Argentinien antreten, die im Herbst verschoben worden war. Neben Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) begleiten Schröder mehr als 30 Wirtschaftsvertreter.

Trotz der Argentinienkrise will Bundeskanzler Gerhard Schröder am Sonntag seine Lateinamerika-Reise nach Mexiko, Brasilien und Argentinien antreten, die im Herbst verschoben worden war. Neben Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) begleiten Schröder mehr als 30 Wirtschaftsvertreter. Durch die Reise sollen Firmenkontakte in die Region gestärkt werden, die von deutschen Investoren in den vergangenen Jahren vernachlässigt wurden.

In Argentinien, nun Schlussetappe der abgeänderten Route, dürfte das angesichts der gegenwärtigen Krise schwer gelingen. Es ist mehr ein Anstandsbesuch, den die deutsche Delegation abstattet, "um einem Freund in Not beizustehen", wie es im Kanzleramt hieß. Der Kanzler hat sich allerdings vorbehalten, diese Station in letzter Minute zu streichen, "falls eine dramatische Änderung der Lage in Argentinien" eintritt. Befürchtet wird, dass es am Montag zu neuen Unruhen kommt, wenn die Argentinier erstmals wieder Zugriff auf ihre Privatkonten erhalten.

Die Erwartungen, die die argentinische Regierung mit ihrem Besuch verknüpft, sind hoch und vor allen Dingen finanzieller Natur. Das Land kann zurzeit seine 162 Milliarden Euro Auslandsschulden nicht bedienen. Der Internationale Währungsfonds hatte daraufhin im Dezember alle Hilfsgelder auf Eis gelegt. Als Voraussetzung für ihre Freigabe wurde verlangt, dass die Regierung in Buenos Aires ein glaubwürdiges Wirtschaftsprogramm vorlegt. Auch der Kanzler nannte dies als Bedingung für mögliche Wirtschaftshilfen, wie aus Regierungskreisen verlautete.

Der neue Präsident Eduardo Duhalde hatte zwar eine völlige Abkehr von der Politik seines Vorgängers de la Rua angekündigt, doch trotz demonstrativer Sparmaßnahmen - wie der Entlassung eines Viertels der Parlamentsabgeordneten - bestehen erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit seiner Wirtschaftspolitik.

Angesichts dieser komplizierten Situation sind die ersten beiden Stationen der Reise vielversprechender für die Deutschen: In Mexiko und vor allem in Brasilien können die Manager aus der Wirtschaft aufstrebende Märkte erschließen. Man wolle Lateinamerika nicht allein den USA überlassen, hieß es in der Umgebung des Kanzlers. Brasilien ist der größte deutsche Witschaftsstandort außerhalb Europas und der Vereinigten Staaten. Das Land, in dem über die Hälfte der gesamten ökonomischen Leistung Lateinamerikas erbracht wird, gehört zu den zehn bedeutendsten Wirtschaftsmächten der Welt. Mexiko kommt ebenfalls eine große Bedeutung zu, weil es zur Nafta, dem nordamerikanischen Freihandelsbündnis, gehört und so eine Brückenfunktion zwischen Nord- und Südamerika wahrnimmt. Doch auch bei diesen Besuchen wird die Stimmung von der Lage in Argentinien überschattet sein. Einige Wirtschaftsexperten befürchten, dass die Krise auch auf Brasilien und damit unweigerlich auf ganz Lateinamerika überschwappen könnte.

Andrea Claudia Hoffmann

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