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Fall für Fachleute. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) präsentiert die Mitglieder der Bund-Länder-Kommission.

© dpa

Aufarbeitung des Nazi-Terrors: Extrem gute Vorsätze

Experten, Abgeordnete, Ermittler: Nazi-Terror und Fahndungspannen werden untersucht. Doch Kompetenzfragen bleiben dabei weiter umstritten.

Von
  • Matthias Meisner
  • Frank Jansen

Ein Versagen der Sicherheitsbehörden beim Kampf gegen den Rechtsterrorismus wird jetzt auch von einer Bund-Länder-Kommission aufgearbeitet. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stellte das vierköpfige Gremium am Mittwoch in Berlin vor. Er wie auch die Kommissionsmitglieder wiesen Bedenken wegen mangelnder Ermittlungsbefugnisse der Kommission zurück. Auch die Gefahr eines Kompetenz-Wirrwarrs sieht Friedrich nicht – obwohl sich parallel die Bundesanwaltschaft sowie Untersuchungsausschüsse des Bundestages und des thüringischen Landtags mit den zehn Morden der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) und Ermittlungspannen der Behörden befassen.

Im Bundestag sind sich die fünf Fraktionen einig: Mit 38 gemeinsamen Beweisanträgen von Union, SPD, FDP, Grünen und Linken soll sich an diesem Donnerstag der Untersuchungsausschuss zum NSU-Komplex befassen. Die Abgeordneten wollen zunächst bei mehreren Behörden einen gewaltigen Berg Akten anfordern. Nach Informationen des Tagesspiegels sollen die Bundesministerien des Innern und der Justiz sowie das Kanzleramt „sämtliche Organigramme/Organisationspläne“ aus der Zeit von 1992 bis zum 8. November 2011 zur Verfügung stellen. Am 8. November hatte sich Beate Zschäpe, das einzige noch lebende Mitglied der dreiköpfigen NSU-Terrorzelle, in Jena der Polizei gestellt.

Die Abgeordneten wollen sich ein Bild verschaffen, wer in den Behörden für die Themen Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus zuständig war, auch schon in den Jahren vor dem Abtauchen von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Zschäpe im Januar 1998. Weitere Anträge beziehen sich auf den Verfassungsschutz , das Bundeskriminalamt (BKA), den Bundesnachrichtendienst, den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und die Bundesanwaltschaft. Zudem soll der Ausschuss beschließen, alle Unterlagen des thüringischen Innenministeriums und der Thüringer Sicherheitsbehörden anzufordern, „die sich mit dem Erwerb und Besitz von Waffen, Sprengstoff und Bomben der Mitglieder des NSU und deren Umfeld seit dem Jahr 1992 befassen“. Das Verteidigungsministerium und der MAD sollen zudem ihre Erkenntnisse zum Diebstahl und Verbleib von 40 Kilogramm TNT aus einem Munitionsdepot der Bundeswehr in Thüringen Anfang der 90er Jahre offenlegen. Die FDP wird voraussichtlich die Befragung ehemals hochrangiger Beamter der Sicherheitsbehörden fordern, etwa die von Klaus Ulrich Kersten, Ex-Präsident des BKA, und des früheren Verfassungsschutzchefs Peter Frisch.

Der Bundesinnenminister und sein niedersächsischer Kollege Uwe Schünemann (CDU) sagten, die Bund-Länder-Kommission solle „sehr schnell“ Hinweise geben, wie der Informationsfluss zwischen den Sicherheitsbehörden verbessert werden könne. Friedrich sprach von der Suche nach „Optimierungsmöglichkeiten“. Der frühere Hamburger Innensenator Heino Vahldieck (CDU), Mitglied der neuen Kommission, gab zu, beim 2003 gescheiterten NPD-Verbotsverfahren sei deutlich geworden, dass sich die Quellen der verschiedenen Behörden gegenseitig „auf den Füßen standen“. Mit Blick auf die Zukunft gehe es darum, „Schwachstellen offenzulegen“, nicht aber, die gesamte Sicherheitsarchitektur in Bausch und Bogen zu verdammen. Berlins früherer Innensenator Ehrhart Körting (SPD) geht davon aus, dass die Kommission auch interne Vermerke wird anfordern können. Würde ihr das verwehrt, werde die Arbeit „wertlos“, sagte Körting. Schünemann wies Forderungen aus der SPD nach einem eigenen Ermittlungsrecht der Bund-Länder-Kommission zurück. Er sprach von einem „Störfeuer“, über das er sich geärgert habe.

SPD, Linke und Grüne machten deutlich, die „Hauptaufklärung“ müsse der Untersuchungsausschuss des Parlaments leisten. Nur dieser habe die nötigen Befugnisse und Kompetenzen, sagte Parlamentsvizepräsidentin Petra Pau (Linke). Grünen-Fraktionschefin Renate Künast erwartet aber auch einen „hartnäckigen Beitrag“ der Expertenkommission.

An welche Grenzen auch das Parlament bei der Aufklärung des NSU-Terrors kommen kann, wurde aus der Antwort des Verteidigungs-Staatssekretärs Thomas Kossendey (CDU) an den Grünen-Abgeordneten Memet Kilic deutlich. Kilic hatte nach Informationsquellen des MAD im Thüringer Heimatschutz gefragt. Kossendey verweigerte in der dem Tagesspiegel vorliegenden Antwort Detailauskünfte zu dem Fall, weil auch V-Leute im Einsatz gewesen seien. Diese würden „Rückschlüsse auf den Kenntnisstand und die Arbeitsweise des MAD“ erlauben. „Quellen“ dürften nicht offengelegt werden, um nicht deren „Leben und körperliche Unversehrtheit“ zu gefährden.

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