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Politik: Aufbau Ost: Millionen für die Platte?

Im Sommer will Gerhard Schröder wieder den Osten bereisen. Ohne Mitbringsel wird er nicht auftauchen wollen, hat er doch den Aufbau Ost zur Chefsache erklärt.

Im Sommer will Gerhard Schröder wieder den Osten bereisen. Ohne Mitbringsel wird er nicht auftauchen wollen, hat er doch den Aufbau Ost zur Chefsache erklärt. Deshalb macht Schröder Druck: Der Solidarpakt II, in dem die Sonderförderung für den Osten ab 2005 zusammengefasst wird, soll bis zur Sommerpause besiegelt sein. Und für die Zeit vor 2005, für den kommenden Wahlkampf also, dürfte es noch ein Sonderprogramm geben. Auch um auf die Forderungen der Opposition zu antworten, die im 40-Milliarden-Programm des Thüringer Ministerpräsidenten Bernhard Vogel gipfeln.

Milliarden will die Bundesregierung nicht versprechen, zumindest nicht, bevor die neueste Steuerschätzung am 17. Mai vorliegt. Denn die Haushaltssanierung soll durch neue Mittel für den Osten nicht gefährdet werden. Derzeit wird das Sonderprogramm in den Ministerien ausgetüftelt. Auch wird es wohl Thema bei Schröders Treffen mit den Ost-Regierungschefs am 10. Mai sein. Zugute kommen würde das Programm vor allem den Kommunen. Denn dort ist nicht nur die Finanzlage am schlimmsten - die meisten Ost-Kommunen kommen nur auf 40 bis 60 Prozent der Steuerkraft westdeutscher Gemeinden -, dort sind Sondermittel auch kurzfristig am augenfälligsten zu vergeben. Nicht umsonst hat die PDS wahlkampfwirksam die Wiederauflage der kommunalen Investitionspauschale für die ostdeutschen Kommunen gefordert. Dieses Programm Anfang der 90er Jahre war nicht zweckgebunden - ein Wunschtraum der Bürgermeister.

Rot-Grün will dem nicht folgen. Stattdessen dürfte es für 2002 und danach eine zweckgebundene Sonderförderung für den Bau und die Forschung geben. Bauminister Kurt Bodewig und Forschungsministerin Edelgard Bulmahn lassen derzeit ihre Etats durchforsten. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye sagte, Mittel aus der UMTS-Lizenzversteigerung könnten in Ost-Programme umgeschichtet werden. Wahrscheinlich ist, dass der Kanzler die Wähler und Kommunalpolitiker im Osten mit einem Sanierungs- und Abrissprogramm für Plattenbauten und leer stehende Innenstadtwohnungen beglücken wird. Für die baupolitische Expertin der Grünen, Franziska Eichstädt-Bohlig, hat dies "höchste Priorität", in Regierungskreisen wird von sofortigem Bedarf gesprochen. Eine Expertenkommission des Bundestags hatte im vorigen Herbst empfohlen, 360 000 leere Wohnungen abzureißen. Ein Milliarden-Aufwand. Eichstädt-Bohlig meint, dass die 300 Millionen Mark, welche die Kommission vorgeschlagen hat (davon 100 Millionen Bundesmittel) nicht ausreichen. Im Februar hatte sich Schröder im brandenburgischen Schwedt ein Bild von der Situation gemacht. "Gemeinsame Kraftanstrengungen" von Bund und Ländern kündigte der Kanzler an.

Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält eine Stärkung der Kommunen im Osten für vordringlich. Anders als bei Fernstraßen gebe es noch "signifikante Defizite" im örtlichen Straßenbau, außerdem bei Schulbauten und der Abwasserentsorgung, so der finanzpolitische Experte des DIW, Dieter Vesper. Er ist auch nicht der Ansicht, dass sich die Mittel für den Aufbau Ost insgesamt verringern lassen: "Man wird nicht darum herumkommen, in einer ähnlichen Größenordnung zu fördern wie bisher." Damit relativiert Vesper den Eindruck, den ein DIW-Gutachten im Auftrag des Bundesfinanzministeriums erweckt. Das DIW spricht darin von einem Nachholbedarf bei der Infrastruktur gegenüber Westdeutschland im Umfang von 160 Milliarden Mark - bezogen auf das Jahr 2005. In einem früheren Gutachten für die Ost-Ministerpräsidenten war das DIW noch auf 203 Milliarden gekommen. Insgesamt beziffern die neuen Länder die "Infrastrukturlücke" auf 300 Milliarden.

Nach den Worten Vespers ergibt sich die revidierte DIW-Zahl auf der Grundlage neuerer Daten und Entwicklungen im Osten. Zudem habe man "problematische Aufgabenfelder" genauer berechnen können. Dazu zählt der Abwasserbereich, in dem in weit größerem Maße als im Westen Privatfirmen tätig und damit weniger öffentliche Investitionen nötig sind. In der Frage der Dauer des Solidarpakts II stützt das DIW die neuen Länder. Vesper ist der Ansicht, dass ein Zeitraum von 15 Jahren bis 2020 realistisch sei, um mit dem Westen einigermaßen gleichzuziehen.

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