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Thüringens Wirtschaftsminister Machnig.

© dapd

Aufbau Ost: Thüringen zweifelt Zahlen an

Eine Studie im Auftrag der Erfurter Regierung besagt: Die Osttransfers waren geringer als behauptet. Wirtschaftsminister Machnig betont, dass weiterhin Unterstützung nötig sei.

Erfurt - Eine Billion Euro, zwei oder gar drei? Über die Summen, die in den Aufbau Ost flossen und fließen, herrscht seit jeher Streit. Erst im März forderten Bürgermeister aus dem Ruhrgebiet ein Ende der Transfers. „Der Solidarpakt Ost ist ein perverses System, das keinerlei inhaltliche Rechtfertigung mehr hat“, sagte damals Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD). Im Osten wisse man nicht mehr, wohin mit dem Geld. Im Ruhrgebiet hingegen „brennt der Baum“.

Eine Studie, die Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) in Auftrag gegeben hat, stellt das infrage. Nach Informationen des Tagesspiegels kommt die Beratungsfirma Roland Berger darin zu dem Ergebnis, dass weit weniger Geld als behauptet in den Aufbau Ost gesteckt wurde. Demnach betragen die „ostspezifischen Leistungen“ nur 13 Milliarden Euro pro Jahr. Nach Ansicht der Beratungsfirma reicht es nicht, nur die bisher in Ostdeutschland ausgegebenen drei Billionen Euro zu sehen. Zu berücksichtigen sei vielmehr, dass Bund und Sozialsysteme zugleich große Einnahmen hatten. Damit bleibe zunächst ein jährlicher Nettotransfer von 70 Milliarden Euro.

Allerdings seien die Sozialausgaben, die vor allem wegen der Renten 70 Prozent des Gesamttransfers ausmachten, „keine spezifische Begünstigung der neuen Länder“, heißt es in der Studie. Solche Transfers bekommen auch andere Bundesländer. Zudem müssten Gelder abgezogen werden, die Bundesaufgaben, beispielsweise der Verteidigung, dienten. Übrig bleibt für Roland Berger eine Summe von 265 Milliarden Euro, also rund 13 Milliarden pro Jahr, die direkt dem Aufbau Ost zurechenbar sei. Die Studie weist außerdem darauf hin, dass seit 1990 eine Million Ostdeutsche in den Westen gingen und dort Steuern und Abgaben von jährlich rund zehn Milliarden Euro geleistet hätten.

Zwar gesteht die Berger-Studie zu, dass es im Osten eine positive Entwicklung bei der öffentlichen Infrastruktur gegeben hat. Die Wirtschaft hingegen steht noch immer auf dünnen Beinen. Die Studie spricht von einer „deutlichen Verlangsamung des Aufholprozesses“. Ostdeutsche Betriebe hätten deutlich weniger Kapital als Westfirmen, die Produktivität liege bei 70 Prozent. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung betrügen nur ein Drittel des Westniveaus. Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner sei im Vergleich mit Westdeutschland sogar auf knapp 67 Prozent gefallen. Auch die Einkommen verharrten seit Jahren bei rund 80 Prozent.

Machnig sagte dem Tagesspiegel, der Osten bleibe hinter dem Westen zurück. „Wir müssen rechtzeitig diskutieren, was sind die Konsequenzen“, sagte er mit Blick auf den 2019 auslaufenden Solidarpakt II. Eike Kellermann

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