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Politik: Aufbruch nach Europa

Von Thomas Seibert, Istanbul „Die Türkei hat nichts zu fürchten außer ihrer eigenen Furcht“, sagte der zurückgetretene türkische Außenminister Ismail Cem, als er jetzt antrat, das Land aus der Krise und nach Europa zu führen. Der Ex-Minister lieh sich den von US-Präsident Franklin D.

Von Thomas Seibert, Istanbul

„Die Türkei hat nichts zu fürchten außer ihrer eigenen Furcht“, sagte der zurückgetretene türkische Außenminister Ismail Cem, als er jetzt antrat, das Land aus der Krise und nach Europa zu führen. Der Ex-Minister lieh sich den von US-Präsident Franklin D. Roosevelt in der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre geprägten Satz, um seinen Ausstieg aus der Regierung von Ministerpräsident Bülent Ecevit zu begründen: Die Türkei, so Cems Botschaft, braucht eine neue Aufbruchstimmung – und eine neue Partei.

Fünf Tage nach dem Beginn der Revolte in Ecevits Partei ist damit die neue Schlachtordnung in der türkischen Politik klar. Das hat auch Ecevit erkannt: Verbittert beschuldigte er sein politisches Ziehkind Cem der Treulosigkeit – und besetzte dessen Posten umgehend mit seinem neuen Kronprinzen, dem als Europa-Skeptiker bekannten Falken Sükrü Sina Gürel. „Partei für ein modernes Anatolien“ soll Cems neue Formation voraussichtlich heißen. Zusammen mit Wirtschaftsminister Kemal Dervis und dem ebenfalls zurückgetretenen Vize-Ministerpräsidenten Hüsamettin Özkan will Cem eine sozialdemokratische Partei mit stark pro-europäischen Zügen aus der Taufe heben. Bis Samstag hatten mit Cem und Özkan 45 Abgeordnete die Partei der Demokratischen Linken (DSP) von Ecevit verlassen, mehr als ein Drittel der Fraktion. Wenn sich noch 14 weitere DSPler dem „modernen Anatolien“ anschließen, hat Ecevits Koalition keine Mehrheit mehr; dann will der Premier zurücktreten.

Ärger gibt es um die Stellung von Kemal Dervis, der sich als einziger wirklich unersetzlicher Politiker in der Türkei erwiesen hatte, als er auf Druck des Staatspräsidenten sein Rücktrittsgesuch zurückziehen musste. Weil er daraufhin auf seinen Posten zurückkehrte, versuchte Ecevit, ihn für seine Seite zu vereinnahmen. Vize-Ministerpräsident Devlet Bahceli von den Nationalisten beschimpfte ihn dagegen als „unmoralisch“.

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