zum Hauptinhalt

Politik: Aufbruchstimmung

Die Demokraten haben nun die Macht im US-Kongress – sie fordern mehr Ethik von der Politik

Zum ersten Mal seit zwölf Jahren haben die Demokraten wieder die Parlamentsmehrheit. Zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte ist das Parlamentsoberhaupt eine Frau: „Madame Speaker“ Nancy Pelosi. Zum ersten Mal sitzt ein Muslim im Kongress, Keith Ellison aus Minnesota. Die erste Sitzung der im November gewählten Volksvertretung brachte am Donnerstag viel Aufbruch. Da schadete es gar nicht, dass eine weitere angebliche Premiere gemogelt war: Der „erste Sozialist“ im Kongress, Senator Bernie Sanders aus Vermont, saß zuvor schon 16 Jahre als Parteiloser im Abgeordnetenhaus.

Die Demokraten machten sich nach Erledigung der Eröffnungsformalitäten gleich an eine Verschärfung der Ethikregeln: Geschenke und Einladungen zu Reisen werden weiter begrenzt, um mehr Distanz zwischen Abgeordneten und Lobbyisten zu erzwingen. Jüngst waren Korruptionsaffären in beiden Parteien ans Licht gekommen, der Lobbyist Jack Abramoff wanderte wegen Bestechung ins Gefängnis, der republikanische Mehrheitsführer Tom DeLay musste zurücktreten. Die Demokraten sprachen von einer „republikanischen Kultur der Korruption“, obwohl sie Sünder in den eigenen Reihen hatten, und versprachen, den neuen Kongress zu einem mit der höchsten Ethik zu machen.

Zwei andere Wahlkampfzusagen stürzen sie nun in Widersprüche. Sie wollten mehr überparteiliche Kooperation einführen und den Republikanern, die nun die Minderheit stellen, mehr Mitsprache einräumen, als die ihnen bei umgekehrten Mehrheitsverhältnissen gewährt hatten. Plakativ hatten die Demokraten aber auch ein Programm für die ersten 100 Arbeitsstunden versprochen. Von der Umsetzung aller Empfehlungen der 9/11- Kommission, die die Terroranschläge von 2001 untersucht hatte, über die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 7,25 Dollar bis zur Neuerung, dass neben dem Weißen Haus auch der Kongress mit den Pharmakonzernen die Preise im öffentlichen Gesundheitssystem für Alte aushandelt. Diese Beschlüsse wollen sie ohne Debatte in Ausschüssen und im Plenum fassen. Die Republikaner kritisieren die Umgehung der Regularien scharf. Die Demokraten sagen, die Vorhaben seien bereits im alten Kongress debattiert worden, ehe sie dort an der republikanischen Mehrheit scheiterten. Umstritten blieb, ab wann die 100 Stunden zählen – seit gestern oder ab der ersten Arbeitssitzung nächste Woche.

Auch das Verhältnis zum Präsidenten ist zwiespältig. Beide Seiten geloben Kooperation, wetteifern aber um die Initiative und drohen, die andere Seite wähle „Krieg“, wenn sie reine Symbolpolitik betreibe. George W. Bush machte Vorschläge, wie sich das sogenannte „pork“ halbieren lässt – teure Projekte für Einzelwahlkreise, die an Gesetze angehängt werden, um die Stimme des Abgeordneten zu gewinnen. Die Demokraten wollen Bush nicht mit Untersuchungsausschüssen zu Irak in die Enge treiben, machen ihre Zurückhaltung aber auch von seiner Kooperationsbereitschaft abhängig.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false