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Auch der Kinderschutzbund warnt vor den Folgen einer Corona-Testung in der Schule.

© imago/photothek

Auffällige Kinder: In die Schulen gehört auch die Psychologen-Couch!

Die aktuellen Zahlen zu psychischen Auffälligkeiten bei Kindern zeigen: Schulen brauchen zumindest tageweise ihre eigenen Schulpsychologen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Susanne Vieth-Entus

Was haben Mobbing, übermäßiger Medienkonsum, Kriegstraumatisierung und Leistungsdruck gemeinsam? Zum Beispiel dies: Kinder und Jugendliche schleppen diese Lasten mit sich herum – und auch mitten rein ins Klassenzimmer.

Und da sitzen sie dann. Oder besser: Sie versuchen zu sitzen. Lieber würden sie vielleicht weglaufen. Vor den Mobbern, vor fürchterlichen Erinnerungen, vor der Angst zu versagen. Stattdessen sollen sie möglichst gut funktionieren, sollen dem Unterricht folgen, auf Fragen antworten und die nächste Klausur bestehen. Und was, wenn sie das nicht schaffen? Dann bleiben sie beim nächsten Mal vielleicht lieber mit „Bauchschmerzen“ im Bett oder trödeln schwänzend im Kaufhaus rum, oder sie gehen zum Arzt – was immer häufiger vorkommt.

Darauf deuten aktuelle Krankenkassendaten hin, deren Auswertung inzwischen für alle Bundesländer vorliegt. Für Berlin besagen sie, dass jedes vierte Schulkind wegen psychischer Auffälligkeiten mindestens einmal pro Jahr in Behandlung ist. Das können Entwicklungs- und Verhaltensstörungen sein, aber auch Depressionen, die auf dem Vormarsch sind.

Überraschen müssen die Zahlen nicht. Jedenfalls nicht für Berlin, das eine große Transparenz in Bezug auf den Gesundheitsstatus der Erstklässler hat: Seit Jahren gibt es alarmierende Befunde in Bezug auf die motorischen Defizite der Fünfjährigen. Jeder Fünfte wird in der frühen Kindheit so schlecht gefördert, dass er sich ohne intensivste Förderung oder gar Therapie kaum an das Schreiben und Rechnen herantasten kann. Früher kamen diese Kinder oft auf Förderschulen. Diese Schulen werden allerdings wegen der Inklusion ebenso wie die Schulen für Verhaltensauffällige aufgelöst oder umgewidmet.

Mit Schulpsychologen können Irrwege der Familien vermieden werden

Der naheliegende – und richtige – Impuls besteht darin, den inklusiven Schulen mehr Sonderpädagogen zu wünschen und mehr Sozialarbeiter. Was aber die Zahlen der Krankenkassen darüber hinaus verdeutlichen: Mit diesen Berufsgruppen ist es nicht getan. Während die Bildungssenatorin noch darum ringt, an jeder Schule mindestens einen Sozialarbeiter zu haben, müsste es längst heißen: Schulen brauchen – zumindest tageweise – ihre eigenen Schulpsychologen. Und zwar mit festem Sprechzimmer in der Schule. Sodass sie ansprechbar sind.

Denn was sonst passiert, kennen viele Eltern und Lehrer schon. Dann bleiben ihnen die schulpsychologischen Zentren der Bildungsverwaltung, bei denen sie wochen- oder gar monatelang auf Termine warten. Weil da Vorrang hat, was akut ist. Aber was heißt schon „akut“? Wie „akut“ ist die Not eines Opfers von Cybermobbing? Wie lange aufschiebbar ist die Therapie für eine zu spät erkannte Legasthenie? Ein unterdrücktes Kriegstrauma? Wie alarmierend sind die ersten Anzeichen von Magersucht? Wie bedrohlich ist die Schlafstörung eines Dreizehnjährigen, und ab wann ist sie ein Zeichen einer beginnenden Depression?

Besorgte Eltern werden also mit ihren Kindern zum Arzt gehen und dann sehr wahrscheinlich den Weg zum Psychiater beschreiten und dann zum nächsten und übernächsten. Auch solche (Irr-)Wege könnten vermieden werden durch Schulpsychologen, die mit Lehrern, Sonderpädagogen und Sozialarbeitern Hand in Hand arbeiten. Wer die Krankenkassenstatistik gelesen hat, weiß: Genug zu tun gibt es.

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