zum Hauptinhalt
Auch Regierungschef Fredrik Reinfeldt hat sich in die Debatte eingeschaltet.

© AFP

Aufregung um Lexbase: Umstrittene schwedische Website listet Straftäter auf

Gläserne Bürger und virtuelle Pranger: In Schweden ist eine kommerzielle Webseite gestartet, die Straftäter samt ihrer Wohnorte auflistet.

Nur ein paar Mausklicks genügen und schon kann man erfahren, ob der Nachbar ein verurteilter Dieb, Schläger oder gar Kinderschänder ist. Möglich macht das eine neue Website in Schweden. Um das Strafregister einer Person aufzurufen, muss man dort lediglich deren Namen oder Sozialversicherungsnummer eingeben. Darüber hinaus bietet die Seite Lexbase.se einen geografischen Gesamtüberblick in Sachen Kriminalität – über eine Kartenfunktion wird angezeigt, wo im Land Verurteilte leben. Wer es ganz genau wissen will, muss allerdings einen Obolus entrichten. Für 79 Kronen, umgerechnet knapp neun Euro, erhält man detaillierte Angaben über die Art des Verbrechens und das Strafmaß.

Betroffene reichen Klagen gegen Lexbase ein

Die Informationen könnten in Kürze womöglich aber kostenfrei zu haben sein: Nur zwei Tage nach dem Start der Website zu Wochenbeginn machten Berichte über Hacker-Angriffe die Runde. Mehr als 100.000 Personenangaben seien bereits an anderen Stellen gratis abrufbar, berichtete die Zeitung „Dagens Nyheter“ am Mittwochnachmittag. Während besorgte Stimmen vor Lynchjustiz warnen und erste Betroffene Lexbase verklagt haben, sehen sich die Macher inzwischen selbst als Gejagte. So muss Herausgeber und Eigentümer Jonas Häger auf seinen Kompagnon Pontus Ljunggren verzichten, der nach Morddrohungen von dem Projekt abgesprungen ist.

Häger seinerseits soll andere Erfahrungen gesammelt haben: Zeitungen berichten, er habe bis vor kurzem mit einer Reihe kriminell belasteter Firmen in Kontakt gestanden. Vom schwedischen Rechtsapparat hat die umstrittene Website aber keine Sanktionen zu befürchten, trotz einhelliger Empörung bei Experten wie der Generalsekretärin des Anwaltsverbandes, Anne Ramberg, die Lexbase „entsetzlich und zynisch“ nennt. „Uns sind die Hände gebunden“, konstatiert Kristina Svahn Starrsjö, die Generaldirektorin der Staatlichen Dateninspektion. „So gern wir es auch täten – wir können gegen die Website nichts unternehmen.“

Leicht zu erfahren ist beispielsweise, wie viel Steuern der Nachbar zahlt

Das Zauberwort in diesem Zusammenhang heißt Öffentlichkeitsprinzip. Anders als in Deutschland gewährt die seit Jahrhunderten geltende schwedische Praxis jedem Bürger Zugang zu öffentlichen Dokumenten. Leicht zu erfahren ist beispielsweise, wie viel Steuern der Nachbar zahlt und welche Schulden er hat. Auch Gerichtsentscheidungen sind öffentlich einsehbar. Dem Öffentlichkeitsprinzip entgegen steht das Gesetz zum Schutz persönlicher Angaben, das die Publikation sensibler Daten im Internet verhindern soll. Es zu umgehen, ist aber ein Kinderspiel.

Nach Angaben der Generaldirektorin der Dateninspektion kann sich nämlich „im Prinzip jeder für welchen Zweck auch immer“ beim Amt für Fernsehen und Rundfunk besorgen, womit Lexbase.se nun auftrumpft: eine so genannte Herausgeber-Bescheinigung. Das Papier zum Preis von 230 Euro stellt den Inhaber als Herausgeber unter den Schutz der grundgesetzlich verankerten, weitreichenden Pressefreiheit, die ihrerseits das Personenschutz-Gesetz aushebeln kann. Das Grundgesetz müsse nun „dringend geändert werden“, sagt Kristina Svahn Starrsjö. In die zunehmend hitzige Diskussion hat sich jetzt auch Regierungschef Fredrik Reinfeldt eingeschaltet. Von einer Grundgesetzänderung will er vorerst nichts wissen. „Zunächst einmal muss eine breite gesellschaftliche Diskussion in Gang kommen“, sagte er am Mittwoch. Gemeinsam gelte zu klären, welcher Art Informationen für alle zugänglich sein müssten. „Für diese Diskussionen müssen wir keine Gesetze ändern.“

Zur Startseite