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Politik: „Aufsichtsräte umgehen das deutsche Aktienrecht“

Managergehälter: SPD-Fraktionsvize Stiegler kritisiert „ausschließliche Orientierung am Aktionärsinteresse“

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Berlin - Der Bundespräsident fordert eine „Kultur der Mäßigung“ in den Chefetagen der Unternehmen, die Kanzlerin kritisiert Fantasieabfindungen, und 85 Prozent der Bundesbürger halten die Gehälter der Manager für zu hoch. Trotz Protesten aus der Wirtschaft nach entsprechenden Äußerungen auf dem CDU-Parteitag wünscht sich Angela Merkel weiter eine Debatte über gerechte Bezahlung – „und zwar nicht nur am unteren Ende der Lohnskala, sondern auch am oberen“.

Nach Angaben aus ihrem Umfeld verbindet sie damit aber vor allem einen moralischen Appell. Gesetzgeberische Erwägungen gebe es nicht. Bei extremen Fällen greife der Untreuetatbestand des Strafrechts, ansonsten wünsche sich Merkel, dass Manager und Anteilseigner den Zusammenhalt der Gesellschaft zu ihrem Anliegen machten. SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler dagegen brachte erneut eine Prüfung des Aktienrechts ins Gespräch. „Ich habe kein Problem mit hohen Managergehältern“, sagte er dem Tagesspiegel. Eine gesetzliche Begrenzung der Managergehälter auf das 20-fache des niedrigsten im jeweiligen Unternehmen gezahlten Lohns, wie sie die Linkspartei fordert, lehnte er ab, fügte aber hinzu:. „Ich habe allerdings ein Problem damit, dass die Gestaltung der Gehälter sich ausschließlich an Aktionärsinteressen orientiert.“ Stiegler erhob schwere Vorwürfe gegen Aufsichtsräte, die „unter Umgehung des deutschen Aktienrechts“ und ohne dessen Legalität zu prüfen das US-Modell übernommen hätten: geringe Fixbezüge und hohe variable Gehaltsbestandteile. Diese Bestandteile seien an den Kurswert gekoppelt und würden sich nicht am Gesamtwohl eines Unternehmens und den Arbeitnehmerinteressen orientieren.

Diese Praxis stehe „im Widerspruch zu den Geschäftsleiterpflichten nach dem Aktiengesetz“. Nach Paragraf 87 des Aktiengesetzes hat der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge eines Vorstandsmitglieds eben nicht nur dafür zu sorgen, dass die Gesamtbezüge in einem angemessenen Verhältnis „zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds“ stehen, sondern auch, und darauf hebt Stiegler ab, zur „Lage der Gesellschaft“, des Unternehmens also.

Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Christine Scheel, stellte heraus, es sei zwar nicht Aufgabe der Politik, über die Höhe von Managergehältern zu befinden. Es sei aber sehr wohl „eine Aufgabe von Politik, auf Entwicklungen zu reagieren, die bei vielen Menschen das Gefühl aufkommen lassen, es gehe nicht gerecht zu“, sagte Scheel dem Tagesspiegel. Die Haushalts- und Finanzexpertin plädierte deshalb für eine Begrenzung von Abfindungen. „Das wäre sinnvoll, weil Abfindungen als Betriebsausgaben absetzbar sind und damit den zu besteuernden Unternehmensgewinn reduzieren – die Zeche dafür zahlt am Ende die Steuern zahlende Allgemeinheit.“

Ins gleiche Horn stieß FDP-Fraktionsvize Rainer Brüderle. Hohe Gehälter für gute Leistungen seien okay. Aber für Millionenabfindungen bei schlechter Leistung „haben die Menschen kein Verständnis“. Der Staat müsse „durch das Setzen von fairen Spielregeln dafür sorgen, dass das Vertrauen in unsere soziale Marktwirtschaft nicht beschädigt wird.“ Von staatlich festgelegten Gehaltsgrenzen halte er aber nichts. Brüderles Appell: „Um Kungeleien zu erschweren, brauchen wir kleinere und effizientere Aufsichtsräte und vor allem stärkere Rechte für die Eigentümer und Aktionäre.“ Die Hauptversammlungen müssten über die Gehälter der Manager und deren Veröffentlichung entscheiden.

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