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Politik: Aufstand der Frauen

Polnische Abgeordnete fordern eine Lockerung des Abtreibungsrechts

Schon vor seiner am Wochenende erwarteten Ankunft schlägt das niederländische Abtreibungsboot „Aurora“ in Polen hohe Wellen. Mit einem geharnischten Protestbrief an den niederländischen Premier hat die „Förderation zum Schutz des ungeborenen Lebens“ darauf reagiert, dass das von der Vereinigung „Frauen auf Wellen“ finanzierte und mit einer Abtreibungsklinik bestückte Schiff zwei Wochen lang in polnischen Gewässern kreuzen soll. An Bord sollen schwangere Polinnen beraten werden und Schwangerschaftsabbrüche vornehmen lassen können. Die Justiz müsse das Anlegen des Schiffes verhindern, hat die rechtsklerikale „Liga der polnischen Familien“ (LPR) gefordert und vorsorglich Klage eingereicht: Abtreibung verstoße gegen polnisches Recht.

Tatsächlich ist ein Schwangerschaftsabbruch in Polen faktisch verboten. Seit 1993 ist eine legale Abtreibung nur noch bei Lebensgefahr für die Mutter, einem schweren Defekt des Embryos oder nach einer Vergewaltigung möglich. Doch selbst in diesen Fällen wird eine Abtreibung nicht immer gewährt. Immer mehr öffentliche Kliniken lehnen Abtreibungen generell ab. Die offiziellen Abbrüche sind in Polen inzwischen auf wenige hundert im Jahr zurückgegangen, doch in den Privatkliniken boomt das Geschäft: Die Zahl der illegalen Abtreibungen schätzt die „Förderation für Frauen und Familienplanung“ auf 80 000 bis 200 000 im Jahr.

Vor den Wahlen 2001 hatte die sozialdemokratische SLD eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts in Aussicht gestellt. Nach der Regierungsübernahme legte Premier Leszek Miller dieses Versprechen aber schnell zu den Akten. Denn für das Referendum über den EU-Beitritt vor rund zwei Wochen brauchte Warschau dringend die Unterstützung des Papstes und von Polens einflussreicher katholischer Kirche.

Nach dem gewonnenen Referendum hat Miller im Sejm trotzdem verkündet, dass die Regierung keine Initiative zur Änderung des Abtreibungsrechts ergreifen werde. Doch scheint er seiner Partei die Rolle des Schrittmachers in der Abtreibungsfrage zu erlauben. Vor allem die Parlamentarierinnen der SLD wollen auf die Kirche keine Rücksicht mehr nehmen: Sie dringen auf die Einlösung des zugesicherten Wahlversprechens.

Thomas Roser[Danzig]

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