zum Hauptinhalt

Politik: Aufstand der grünen Bosse

Empörung über DIHK-Vorschläge zur Umweltpolitik – Umweltfirmen wollen Beitragszahlungen einstellen

Von Michael Schmidt

Berlin - „Skandalös“, „ein Affront“, „weltfremd“: Die Forderung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages nach einem Kurswechsel in der Umweltpolitik ist in weiten Teilen von Politik und Wirtschaft auf Ablehnung gestoßen. So „ungeschminkt wie der DIHK“ habe „bisher noch keiner die vollständige Unterordnung der Umweltpolitik unter privatwirtschaftliche Interessen verlangt“, sagte Bundesumweltminister Jürgen Trittin: Was der DIHK präsentiert habe, sei „nichts anderes als die ,Kirchhof-Liste’ zur Abwicklung der Umweltpolitik“.

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) forderte die 5000 BEE-Unternehmen am Donnerstag auf, den Zwangsmitgliedsbeitrag bei den Industrie- und Handelskammern nicht mehr zu zahlen. „Das Maß ist voll“, sagte Verbandspräsident Johannes Lackmann dem Tagesspiegel. „Wir können keinen Verband finanzieren, der unsere Existenzgrundlage in Frage stellt und die Branche vor die Wand fährt.“ Jürgen Resch, Geschäftsfüher der Deutschen Umwelthilfe, stieß mit seiner „klaren Kampfansage“ ins gleiche Horn: „Wir empfehlen den Betrieben dringend, rechtlich prüfen zu lassen, ob sie ihre IHK-Mitgliedschaft nicht beenden können, wenn der Dachverband derart geschäftsschädigend tätig wird“, sagte Resch.

Der Industrieverband hatte gefordert, „die Fortsetzung einer Vorreiterrolle in der internationalen Umweltpolitik" solle nicht mehr Priorität haben. Künftig müsse „die Wirkung von Umweltpolitik auf Investitionen und Arbeitsplätze systematisch geprüft" werden, hatte DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun verlangt.

Das sei „nicht akzeptabel“, sagte die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger. Zur Nachhaltigkeit gehörten ökonomische, ökologische und soziale Aspekte – „die müssen unter einen Hut, das war so, das ist so, und das muss so bleiben“, sagte Homburger.

Der Präsident des Umweltbundesamtes, Andreas Troge, sieht den DIHK „in die Sichtweise der Wirtschaftsverbände von vor 30 Jahren“ zurückfallen. Der umweltpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Paziorek, erklärte: Wer „den Abbau von Umweltstandards einfordert, zeugt von einem kurzfristigen Denken, denn richtig gemacht, ist Umweltpolitik kein Wachstumshemmnis, sondern ein positiver Wachstumsfaktor“.

Umwelt- und Wirtschaftspolitik müssten als zwei Seiten einer Medaille verstanden werden, sagte auch Karl-Heinz Florenz, Vorsitzender des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments. Umweltpolitik müsse motivieren, nicht bestrafen. Deshalb unterstreiche er die Forderung nach Bürokratieabbau. Aber klar müsse sein, dass Deutschland als Exportland „gerade in Sachen Effizienztechnologie“ nicht nachlassen dürfe, weiter seine „riesengroße Chance im Innovationstechnologie-Bereich“ zu suchen. In Deutschland arbeiteten 1,37 Millionen Menschen im Umweltbereich, erklärte Margareta Wolf, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium. Umweltschutz koste keine Arbeitsplätze, er schaffe welche. Michael Müller, stellvertretender SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzender, findet es „nur noch peinlich, dass der DIHK dieses Papier zu einer Zeit veröffentlicht, in der der Hurrikan Katrina zeigt, wie kurzsichtig und dumm“ eine Politik ohne hinreichenden Umweltschutz sei. Matthias Hochstätter vom Bundesverband Windenergie forderte den DIHK auf, „sich zu fragen, was wirklich teurer ist: die Förderung erneuerbarer Energien jetzt – oder die Bezahlung der volkswirtschaftlichen Schäden durch die Folgen des Klimawandels später?“

Einzig der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) stellte sich grundsätzlich an die Seite der DIHK. „Wir überlegen, wie es nach dem Kyoto-Protokoll 2012 weitergehen soll“, sagte ein BDI-Sprecher. „Und wir meinen, dass Deutschland allein in seiner Vorreiterrolle nichts ausrichten kann, sondern nur gemeinsam mit den großen CO2-Emittenten USA, China, Indien.“ Darin weiß der BDI sich einig mit Christa Hasselfeldt. „Nationale Alleingänge ersetzen keine globale Klimapolitik“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion: „Wir wollen deshalb einen Neustart, der alle Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer in die Pflicht nimmt.“

Zur Startseite