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Front-National-Chefin Marine Le Pen am Montag bei einer Pressekonferenz in Lille.

© REUTERS

Aufstieg des Front National in Frankreich: Europas dunkler Herbst

Der Umgang mit dem Front National erfordert auch in Deutschland europapolitische Klugheit. Schulmeisterliche Ratschläge aus Berlin würden Marine Le Pen nur weitere Wähler zutreiben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Für Frankreich geht in diesen Wochen ein „annus horribilis“ zu Ende. Das schreckliche Jahr, das mit dem Anschlag auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ begann und mit dem Tod von 130 Menschen in Paris seine Fortsetzung fand, schließt sich mit einem historischen Wahlerfolg des rechtsgerichteten Front National. Europa hat allen Grund, sich Sorgen zu machen um den wichtigsten Partner Deutschlands – einen Partner, der schon lange an einer Wirtschaftskrise krankt und nun obendrein vom Terror heimgesucht wird.

Marine Le Pen verfolgt ein Programm zum Rückbau Europas

Wer schon vor der ersten Runde der Regionalwahl in Frankreich gedacht hatte, Europa sei in einem unguten Zustand, sieht sich nun eines Schlechteren belehrt. Den Europäern, die schon genug Mühe haben bei einer gemeinsamen Lösung der Flüchtlingskrise, drohen allmählich die Europäer auszugehen.

Es ist ein dunkler Herbst für Europa: Erst erzielten die Rechtspopulisten von der SVP in der Schweiz ein Rekordergebnis, dann kehrten Jaroslaw Kaczynskis Nationalkonservative in Polen an die Macht zurück, und nun könnte erstmals in der Geschichte Frankreichs der Front National eine oder mehrere Regionen erobern.

So unterschiedlich die Ursachen für den Aufstieg der Rechtspopulisten in den einzelnen Ländern sind, so sehr eint sie ihre Abneigung gegen die EU. Europas Rechtspopulisten, egal ob sie nun innerhalb oder außerhalb der EU zu Hause sind, beklagen unisono den Souveränitätsverlust und beschwören die Rückkehr zu rein nationalstaatlichen Lösungen.

Frankreich habe bei der Regionalwahl sein Haupt erhoben, sagte die Front-National-Vorsitzende Marine Le Pen angesichts ihres historischen Erfolges. Die Vorschläge der ehrgeizigen Parteichefin lesen sich folglich auch wie eine Anleitung zum Rückbau Europas: Das Schengen-System, das den kontrollfreien Grenzübertritt ermöglicht, möchte sie wegen der Flüchtlingskrise am liebsten sofort abschaffen.

Für den Fall, dass sie 2017 zur Präsidentin gewählt werden sollte, hat sie ein Referendum über den Euro-Austritt versprochen. Die Gemeinschaftswährung verhindert nach ihrer Auffassung, dass Frankreichs Wirtschaft wieder wachsen kann.

Le Pen will Präsidentin werden - 2017 oder 2022

Wer nicht will, dass Frankreich ab 2017 oder spätestens nach der folgenden Präsidentschaftswahl 2022 von der heute 47-jährigen Marine Le Pen regiert wird, muss sich überlegen, wie er mit dem Partner Frankreich umgeht. Wer verstehen will, wie der Front National und seine Wähler ticken, der sollte sich noch einmal an den gemeinsamen Auftritt von Kanzlerin Angela Merkel und des französischen Präsidenten François Hollande im vergangenen Oktober im Europaparlament erinnern. Marine Le Pen nutzte damals das Forum in Straßburg, um Hollande als Merkels „Vize-Kanzler“ zu verhöhnen. Derartige Polemik fällt in Frankreich offenbar auf fruchtbaren Boden.

Terrorangst beflügelt den FN - aber eigentliche Gründe des Erfolgs sind andere

Die in Frankreich grassierende Terrorangst und die vom Front National heraufbeschworene Debatte über einen Stopp des Flüchtlingszustroms mögen den Rechtspopulisten im Nachbarland noch einen zusätzlichen Schub verliehen haben. Die eigentliche Ursache für den Aufstieg von Marine Le Pen, deren Partei seit Hollandes Wahl im Jahr 2012 von den Europa- über die Départementswahlen im vergangenen März bis zur aktuellen Entscheidung in den Regionen immer stärker geworden ist, liegt aber woanders: im Versagen der Sozialisten, genügend Jobs zu schaffen.

Natürlich wäre es das beste, wenn es Hollande gelingen würde, bis 2017 tatsächlich das Ruder herumzureißen. Wenn es darum geht, Frankreichs Mittelstand zu fördern und eine breiter angelegte Wirtschaftspolitik ins Werk zu setzen, sollte Deutschland deshalb als starker Partner zur Seite stehen.

Andererseits wäre eine schulmeisterliche Berliner Debatte darüber, ob Frankreich endlich eine Rosskur à la „Agenda 2010“ braucht oder ab 2017 wieder den Stabilitätspakt einhalten soll, fehl am Platz. Sie würde nur neues Wasser auf die Mühlen von Marine Le Pen lenken.

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