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"Für den linken Haken". Peer Steinbrück bekam von den Jusos einen Boxhandschuh überreicht.

© dpa

Auftritt des SPD-Kanzlerkandidaten: Kein Shitstorm für Steinbrück bei Jusos

Peer Steinbrück warb am Samstagabend bei den Jusos um Unterstützung für seinen Wahlkampf. Die Jungpolitiker taten ihm den Gefallen, nicht über seine Nebeneinkünfte zu diskutieren. Ärger gab es trotzdem - um ein "Deutschlandfest" der SPD - und Heinz Buschkowsky.

Sandra Brendel ist eisern. Die Nachwuchs-Sozialdemokratin aus Sachsen verzieht das Gesicht, schüttelt den Kopf, als auf einmal sogar Jubel ausbricht unter einigen Jusos, die sich in Magdeburg zu ihrem Bundeskongress getroffen haben. So hat sich das die jungen Dame nicht vorgestellt. Lauter Applaus, nicht einmal Buhrufe.

Der Kandidat entschuldigt sich und, noch schlimmer, ihre Jungsozialisten nehmen das auch noch an. "Für den Steinbrück mache ich kein Wahlkampf", sagte die jungen Frau trotzig. Und es muss einsam sein für Brendel an diesem Abend, denn im Vorfeld des Bundeskongresses wird es wohl noch mehr Brendels gegeben haben, die mit Steinbrück nicht viel anfangen konnten. Und sicher gibt es die auch immer noch. Aber an diesem Abend sind alle weichgespült.

Dabei war die Ausgangslage klar. Beide Seiten hatten vorgebaut. Peer Steinbrück kündigte an, niemanden nach dem Mund reden zu wollen. Man müsse auch niemanden hinter die Fichte führen, weil klar sei, dass er und die Jusos nicht immer einer Meinung seien. Und auch die Jusos wollten schonungslos ihren Standpunkt rüber bringen. Doch nach fast zwei Stunden Debatte sagte eine Jungsozialistin auf dem Podium fast etwas enttäuscht: "Das ist ja alles ganz flauschig hier." Flauschiger Kuschelkurs statt Shitstorm also für Steinbrück. Und der Kanzlerkandidat in spe agierte auch recht geschickt. Zwar kündigte er an, seiner Meinung treu bleiben zu wollen, er verzichtete aber auf Provokationen und warb lieber um die Unterstützung der Jusos. auf: “Ich brauche euch für die Mobilisierung dieses Wahlkampfes.“ Es sei schließlich besser in der Regierung zu streiten als in der Opposition.

Und Steinbrück entzückte das Juso-Herz auch mit anderen Ankündigungen. So schloss Steinbrück nicht nur aus, für eine große Koalition zur Verfügung zu stehen, sondern auch eine Ampel käme für ihn nicht in Frage: "Ich stehe nur für eine rot-grüne Regierung zur Verfügung, für andere Spielchen nicht." Er wolle einen Wahlkampf der klaren Differenzierung machen. Und vor allem, das hat einige Jusos besonders gefreut, werde er ein Kompetenzteam zusammenstellen, dass paritätisch besetzt werde. "Fünf Männer, fünf Frauen", so Steinbrück. Namen nannte er nicht, aber er wolle auch keine rollenspezifische Besetzung, weshalb er es beispielsweise gut fände, wenn sich nicht unbedingt eine Person mit Migrationshintergrund automatisch um Migrationsthemen kümmere.

Steinbrück skizzierte in seiner Rede "Unwuchten in der Gesellschaft" Er nannte die Finanzmärkte, den Arbeitsmarkt aber auch das Bildungs- und Gesundheitssystem. Gleichzeitig kündigte er an, sich ausführlicher zum Themen Mieten auf dem Parteitag Anfang Dezember in Hannover, wo Steinbrück offiziell nominiert werden soll, zu äußern. Viel Applaus erntete Steinbrück dann für sein Eingeständnis, als Bundesfinanzminister "die ein oder andere Schraube falsch gestellt“ zu haben, etwa bei der Abgeltungssteuer. Beifall gab es auch für sein Versprechen, das Ehegattensplitting abzuschaffen.

Ein paar Widerhaken legte Steinbrück dennoch aus. Etwa als er eine differenzierte Debatte um die Vermögenssteuer anmahnt. Da sollten auch die Jusos die Frage im Blick haben, wie man mit der Besteuerung von Betriebsvermögen des Mittelstandes, meist von Familienbetrieben, umgehen wolle. Auch beim Thema Energiewende müsse darauf geachtet werden, dass man nicht schnell die Förderung regenerativer Energien fordert, aber durch steigende Strompreise neue soziale Ungleichgewichte produziere. Dann verwies er auch noch darauf, dass man auch bei den Wählern punkten müsse, die sonst nicht viel mit der SPD zu tun hätten. Er wolle 60 Millionen Wähler ansprechen und da komme man nicht nur mit den lupenreinsten SPD-Positionen voran. Wenn er die Möglichkeit habe, auch im Lager der Schwarz-Gelben zu wildern, dann sollten die Jusos in doch lassen. Das sei mit der von ihm beanspruchten Beinfreiheit gemeint, so Steinbrück, und nicht die Aufgabe von SPD-Positionen.

Hitzige Debatte um "Deutschlandfest" der SPD

"Für den linken Haken". Peer Steinbrück bekam von den Jusos einen Boxhandschuh überreicht.
"Für den linken Haken". Peer Steinbrück bekam von den Jusos einen Boxhandschuh überreicht.

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Doch so sehr sich Steinbrück zwischendurch auch scheinbar mühte, wirkliche Konfrontation kommt nicht auf. Ein paar Stunden davor war das noch anders. Da entbrannte unter den Jusos eine hitzige Debatte. Allerdings nicht über Peer Steinbrück, sondern über die Frage, ob es politisch korrekt ist, ein Fest der SPD zu 150 Jahren SPD "Deutschlandfest" zu nennen. So plant es der Parteivorstand. Vielen Jusos ist das zu nationalistisch. Die Berliner Jusos haben sogar einen offenen Brief an den Parteivorstand geschickt. "Der ist aber noch unbeantwortet", sagte der Chef der Berliner Jusos Kevin Kühnert. Er lehnt den Begriff ab. "Das ist der billige Versuch, das Fanmeilen-Publikum anzusprechen", sagte Kuhnert dem Tagesspiegel.

SPD-Chef Sigmar Gabriel, der ebenfalls zu den Jusos sprach, hatte das Fest verteidigt - genau wie Heinz Buschkowsky. Der Neuköllner Bürgermeister ist bei den Jusos in Ungnade gefallen. Juso-Chef Sascha Vogt warf ihm vor rassistische Ressentiments zu bedienen. Auch andere Jusos gingen darauf ein. Sie warnten später auch Peer Steinbrück davor, sich mit den "Gruselgeschichten der Sarrazins und Buschkowskys gemein zu machen". Doch Steinbrück ging darauf gar nicht näher ein. Auch das "Deutschlandfest" war bei ihm kein Thema mehr, auch weil die Jusos ihn nicht mehr darauf ansprachen. Ein Konfliktfeld weniger, an einem ohnehin konfliktarmen Aufeinandertreffen. Und so bekommt er die gewünschte Unterstützung und Rückendeckung - selbst beim Thema Nebenverdienste. Steinbrück gab zu, dass er zu Berichten Anlass gegeben habe, “die dazu führen, dass nicht nur mir der Wind ins Gesicht bläst, sondern der Partei, euch als Jugendorganisation auch“. Er habe alles Nötige getan und offengelegt. “Ich wäre sehr dankbar, wenn sich die Republik  jetzt den wirklich dringenden Problemen und politischen Themen in dieser Republik zuwenden könnte.“

Die Schlagzeilen hatte er produziert, weil er in den vergangenen drei Jahren  mit bezahlten Vorträgen ein Millionenhonorar eingenommen  hatte. Und der Linie, bloß weg von dieser unschönen Debatte, folgten die Jusos. Die Debatte über die Nebeneinkünfte sei an Absurdität nicht  mehr zu überbieten, sagte Juso-Chef Sascha Vogt.  “Wir wollen mit dir über Inhalte reden, darüber wie wir Schwarz-Gelb ablösen können“, sagte Vogt. Er diskutiere wie Peer Steinbrück lieber mit einer SPD in der  Regierung als einer SPD in der Opposition. “Deshalb werden wir in diesen Wahlkampf geschlossen reingehen“, versprach Vogt unter großen Applaus.

20 Wortbeiträge gab es nach Steinbrücks Rede. Ernsthafte Kritik kam nicht. Und so konnte Steinbrück am Ende sogar ganz beschwingt mal den roten Boxhandschuh schwingen, den er von den Jusos geschenkt bekommen hatte. "Für den linken Haken", wie Vogt erklärte. Selbigen bekam Steinbrück an diesem Abend nicht verpasst. Im Gegenteil. Mit diesem Rückhalt habe er gar nicht gerechnet, gab er unumwunden zu und wie fast ein wenig sentimental. "Das geht nicht nur in den Kopf, sondern auch in die Bauchlage."

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