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Politik: Aufwärts und vorwärts gegeneinander

Die Flügel der Hessen-SPD streiten offen. Ypsilanti muss um ihre Wahl zur Ministerpräsidentin bangen

In der hessischen SPD hängt der Haussegen gründlich schief, und dies eine Woche vor dem geplanten zweiten Anlauf zur Übernahme der Regierungsmacht. Ypsilantis Rivale und Parteivize, Jürgen Walter, könnte für sie zum Sicherheitsrisiko werden, nachdem er auf seine Berufung zum Minister demonstrativ verzichtet hat. Die Parteiflügel, als Gruppen namens „Aufwärts“ und „Vorwärts“ formiert, streiten wieder einmal, natürlich öffentlich. So beklagte sich jetzt die Landtagsabgeordnete Carmen Everts über ihre Parteichefin Andrea Ypsilanti: Die Vorsitzende habe das Angebot an Walter, Minister zu werden, nicht ernst gemeint und damit die Chance der Einigung der hessischen SPD vertan, so Everts.

Das ist starker Tobak. Ypsilanti braucht am kommenden Dienstag bei der Wahl zur Ministerpräsidentin nämlich auch die Stimmen von Everts und Walter. Die abtrünnige SPD-Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger verweigert ihrer Parteivorsitzenden nach wie vor die Unterstützung beim entscheidenden Wahlgang.

Inzwischen streiten die „verfeindeten Milieus“ der SPD, so einer der Kombattanten, sogar über die Rollenverteilung bei den Koalitionsverhandlungen. SPD- Vize Gernot Grumbach, der nach einem Regierungswechsel Fraktionschef werden soll, versichert, Jürgen Walter selbst habe mit den Grünen den Kompromiss zum Thema Flughafenausbau ausgehandelt. Nach Walters Darstellung trägt für die Vereinbarung dagegen der SPD- Linke Hermann Scheer die Verantwortung. Walter befürchtet weitere Verzögerungen beim Flughafenausbau in Frankfurt, weil SPD und Grüne den Flughafenbetreiber daran hindern wollen, bereits nach der Eilentscheidung und vor dem eigentlichen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs mit dem Bau der umstrittenen neuen Landebahn zu beginnen. Walter, der im Wahlkampf noch als Schattenminister für Inneres aufgetreten war, hatte nach der Wahl Interesse am Wirtschaftsministerium angemeldet. Intern setzte Ypsilanti jedoch Scheer als Minister für Wirtschaft und Landesplanung durch. Walter wäre als Minister für Verkehr zwar für die Infrastrukturprojekte zuständig geworden, um deren Zukunft er sich jetzt öffentlich sorgt, wollte aber die Aufteilung der Kompetenzen nicht hinnehmen. Dass er das „Rumpfministerium“ nicht übernehmen wolle, sei verständlich, meint Mitstreiterin Everts.

Der rot-grüne Koalitionsvertrag und die Personalentscheidungen haben Irritationen ausgelöst, das räumt auch Andrea Ypsilanti ein. Die würden jedoch bis zum Wahltermin am 4. November ausgeräumt, versicherte sie in einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk: Sie hätte Jürgen Walter „sehr gerne“ in ihr Kabinett berufen, müsse seine Absage jedoch respektieren, sagte Ypsilanti. Es sei „normal“ wenn ein Koalitionsvertrag Diskussionen auslöse, da bei einem Kompromiss keine der beteiligten Parteien ihre Politik „eins zu eins“ umsetzen könne. Sie sei aber zuversichtlich, dass die Irritationen spätestens bis zum Parteitag am Wochenende ausgeräumt werden könnten. Sie sei „guter Dinge“, dass am 4. November, dem Tag ihrer Wahl im Landtag, „alles klar geht“, sagte Ypsilanti. Der rot-grüne Koalitionsvertrag habe schließlich auch „viel Lob von Eltern, Lehrern und Gewerkschaften“ erhalten.

Derweil hoffen CDU und FDP, dass ihnen der Regierungswechsel doch noch erspart bleibt. Mit einer Postkartenaktion und einem Internetauftritt gehen FDP und eine Bürgerinitiative “gegen den Wortbruch“ an. Der CDU-Landesvorsitzende, Ministerpräsident Roland Koch, nannte den rot-grünen Koalitionsvertrag eine Katastrophe für das Land, weil Zukunftschancen verspielt und Arbeitsplätze vernichtet würden.

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