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Politik: Aus China zur Arbeit nach Polen

Der polnischen Landwirtschaft fehlen Erntehelfer, weil die lieber im Westen arbeiten – nun sollen Saisonkräfte aus Asien kommen

Die Zeit drängt. „Wenn in wenigen Monaten die Erdbeeren und Kirschen reif sind, zählt bei der Ernte jede Arbeitskraft“, sagt Dominik Wozniak. Er ist Obstbauer und beobachtet mit allergrößtem Interesse, was zurzeit in Warschau vor sich geht. Denn dort hat die Regierung die Klagen der polnischen Bauern gehört und sich zum ersten Mal entschlossen, in diesem Jahr gezielt Saisonarbeitskräfte ins Land zu holen. Man werde im Verlauf der kommenden Wochen mit Russland, der Ukraine, Weißrussland und auch einigen asiatischen Ländern die Entsendung von Arbeitern vereinbaren, heißt es in Warschau. „Die Lage ist in diesem Jahr besonders dingend“, erklärt Miroslaw Maliszewski, Präsident des polnischen Verbandes der Obst- und Gemüsebauern. „Mancher Betrieb hat sogar jetzt schon Probleme, genügend Personal zu finden, um die Plantagen zu pflegen.“ Und Maliszewski erinnert sich an das vergangene Jahr, als sein Verband sich an die polnischen Arbeitsämter wendete, um den Bedarf von 15 000 bis 18 000 Saisonarbeitern bekannt zu machen. „Nur einige Dutzend Arbeiter haben sich gemeldet“, sagt er.

Die polnischen Behörden rechnen damit, dass ihre neue Offerte vor allem von Chinesen und anderen Asiaten genutzt werden wird. Denn für Russen, Weißrussen und Ukrainer ist das Angebot finanziell nicht allzu interessant. Nicht einmal 1000 Zloty (rund 250 Euro) werden die Saisonarbeiter pro Monat im Schnitt bekommen – und das ist für die Männer und Frauen aus den osteuropäischen Ländern deutlich zu wenig. Sie gehen – wie die meisten polnischen Saisonarbeiter auch – lieber nach Italien, Spanien oder Deutschland, wo es für sie bei der Ernte ein Vielfaches zu verdienen gibt. Und jene, die durch die hohen bürokratischen Hürden in Westeuropa abgeschreckt werden und in Polen eine Arbeit suchen, tun dies in der Regel illegal.

Die Vermittlung von Arbeitskräften aus asiatischen Ländern wird aber vermutlich nicht einfach. Daher will sich die Regierung in Warschau mit den entsprechenden Stellen in den Partnerstaaten in Verbindung setzen. So ist geplant, nicht einzelne Arbeiter anzuwerben, sondern ganze Gruppen, die dann geschlossen nach Polen kommen und dort auch zusammen arbeiten. Die polnische Regierung wird sich zuvor mit den Obstbauern absprechen und dann deren Wünsche weiterleiten.

Damit kein Arbeitgeber auf die Idee kommt, die Männer und Frauen als billige Lohnsklaven auszubeuten, werden die Bedingungen vorher genau festgelegt, zu denen die Saisonarbeiter angestellt werden. Janusz Grzyb, Vize-Abteilungsleiter im Arbeitsministerium, unterstreicht: „Wir wollen auf würdige Beschäftigungsbedingungen nach europäischen Standards achten.“ Bei der Ernte erhalten polnische Arbeiter ungerechnet rund zwei Euro pro Stunde – etwa so viel sollen auch die Ausländer bekommen. Zudem müssten sie auch versichert sein und die üblichen Steuern bezahlen, sagte Janusz Grzyb. Sadpol, eine polnische Firma, die mehrere Beerenplantagen betreibt, hat angekündigt, dass sie 1500 Arbeiter aus China anstellen will.

„Der angemessene Lohn ist nicht das Problem“, sagt Obstbauer Dominik Wozniak. Auf seiner Plantage bekommen auch die einfachen Arbeiter zwei Euro pro Stunde. Doch er kennt auch die Grauzonen des Geschäftes und hält es deshalb für eine gute Idee, Verträge für ganze Ausländergruppen im Voraus abzuschließen. Das garantiere anständige Arbeitsbedingungen, hofft Wozniak. In seinem Betrieb habe man immer darauf geachtet, mit offenen Karten zu spielen, zumal die Gefahr, bei Kontrollen entdeckt zu werden, sehr groß sei. „Niemand möchte zur Erntezeit, wenn jeder Einzelne gebraucht wird und hart zupacken muss, auch noch die ausländischen Arbeiter vor den Beamten des Grenzschutzes verstecken müssen“, sagt Wozniak. Also wartet er ungeduldig darauf, dass die Regierung ihre Ankündigung wahr macht und er die ersten Saisonarbeiter aus China anstellen kann.

Knut Krohn[Warschau]

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