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Kampfbereit. Etwa 1500 Hisbollah-Kämpfer sollen derzeit in Syrien operieren. Foto: dpa

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Politik: Aus dem Hinterhalt

Sie liefert Waffen, kämpft und kehrt oft mit Gefallenen zurück: Wie die schiitische Hisbollah im syrischen Bürgerkrieg mitmischt.

Kairo - Dem libanesischen Bergdorf Akroum liegt Syrien zu Füßen. Am Horizont schimmert der See von Homs. Bei klarem Wetter ist die Silhouette der weitgehend zerstörten Stadt zu erkennen. Immer wieder ist das dunkle Gewummer von Artillerie zu hören, mal ferner weg, wenn die syrische Armee feuert, mal näher, wenn die Hisbollah von libanesischem Boden aus den Assad-Streitkräften mit ihren Raketenwerfern beispringt. „Die Angriffe begannen vor etwa sechs Wochen“, bestätigte ein syrischer Kämpfer aus Qusair per Skype einem lokalen libanesischen Reporter. „Inzwischen feuert die Hisbollah regelmäßig. Und der Beschuss wird umso heftiger, je erbitterter die Kämpfe sind.“

Gleichzeitig herrscht durch die grenznahen Hisbollah-Dörfer ein reger Verkehr über die in diesen Abschnitten unverminte Grenze. Waffen, Munition und Sprengstoff gehen per Pick-up nach Syrien. Umgekehrt würden „jeden Tag tote oder verletzte Hisbollah-Kämpfer“ zurückgebracht, die im syrischen Bürgerkrieg an der Seite des Regimes im Einsatz waren, behaupten Bewohner. Mitte September verkündeten die Vereinigten Staaten dann erstmals Sanktionen gegen Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah – auch wenn sie nur eine symbolische Geste sind. Hisbollah „spielt eine substanzielle Rolle“ bei den Anstrengungen des Regimes, die Rebellen auf syrischem Boden zurückzudrängen, hieß es in der Begründung aus Washington. Nach Angaben der Londoner Zeitung „Times“ operieren derzeit rund 1500 ihrer Kämpfer auf syrischem Territorium.

Zwei Wochen später ließ sich die Verwicklung der Hisbollah im Nachbarland nicht mehr weiter verheimlichen, als der nahe Qusair getötete Kommandeur Ali Hussein Nassaf in dem Dorf Bodai nahe Baalbek von einer vieltausendköpfigen Trauermenge zu Grabe getragen wurde. Er sei ein Märtyrer, gestorben bei der Erfüllung seiner Pflicht zum Jihad, erklärte Nasrallah in seiner Grabesbotschaft, ohne allerdings den Todesort zu nennen. Ausländischen Journalisten blieb der Zugang zur Trauerfeier verwehrt, libanesische Reporter wurden höflich, aber bestimmt aus dem Dorf herauskomplimentiert. Nassaf war zusammen mit zwei Hisbollah-Begleitern von Kämpfern der „Freien Syrischen Armee“ in einen Hinterhalt gelockt und von einer Bombe zerfetzt worden. Der entscheidende Tipp kam offenbar von einem Regimegegner aus den Reihen der regulären syrischen Armee.

Einfache Kämpfer dagegen werden ihren Familien in den Hisbollah-Gebieten im Süden oder in der Bekaa-Ebene im Dunkel der Nacht zurückgebracht. Den Angehörigen erklären die Funktionäre, die Getöteten seien beim Waffentraining gestorben. Später erhalten sie eine hohe Geldprämie mit der Auflage, nicht mit Medienvertretern über das Schicksal ihres Familienmitglieds zu sprechen.

Doch auch innerhalb der Hisbollah wachsen die Zweifel, ob eine Allianz auf Gedeih und Verderb mit dem Regime von Baschar al Assad tatsächlich im Interesse der schiitischen Kampforganisation ist. Wortführer der internen Kritiker ist der Vorgänger von Hassan Nasrallah, Scheich Sobhi Tufayli. Im Fernsehsender „Al Arabiya“ beschwor der 64-Jährige die jetzige Hisbollah-Führung, ihre Haltung gegenüber dem Regime in Damaskus zu überdenken. Schiitische Führer dürfen nicht mitmachen „bei dem großen Verbrechen, das an dem syrischen Volk verübt wird“.

Tufayli, der die Hisbollah von 1989 bis 1991 lenkte, warnte vor einem Bürgerkrieg zwischen den Religionsgruppen nicht nur in Syrien, sondern auch im Libanon. Einen schiitisch-alawitischen Rumpfstaat entlang der Küste kombiniert mit Hisbollah-Territorium des Libanon, wie es sich möglicherweise das Assad-Regime ausmalt, bezeichnete er als Träumerei. „Wir müssen das Feuer austreten“, sagte er. „Wir dürfen nicht zu denen gehören, die es anfachen.“ Worte, die bei seinem Nachfolger Hassan Nasrallah bisher auf taube Ohren stießen. Martin Gehlen

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