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Der Auschwitz-Prozess gegen den 95 Jahre alten Mandanten des Wahlverteidigers Peter-Michael Diestel am Landgericht Neubrandenburg vertagt worden.

© dpa

Auschwitz-Prozess in Neubrandenburg vertagt: 95-jähriger Angeklagter ist krank

Der Prozess gegen einen ehemaligen SS-Sanitäter aus dem KZ Auschwitz vor dem Landgericht Neubrandenburg ist gleich zum Auftakt vertagt worden. Der 95 Jahre alte Angeklagte ist nicht transportfähig.

Eigentlich sollte am Montag vor dem Landgericht Neubrandenburg der Prozess gegen den früheren SS-Sanitäter Hubert Zafke beginnen. Doch der Platz des 95-jährigen Angeklagten blieb leer. „Herr Zafke ist im Moment nicht transportfähig, geschweige denn verhandlungsfähig“, erklärte der Vorsitzende Richter Klaus Kabisch. Der Prozess wurde auf Mitte März vertagt. Die Staatsanwaltschaft Schwerin wirft ihm vor, in Auschwitz beim Mord an mindestens 3681 Menschen geholfen zu haben. Zum dritten Mal innerhalb eines Jahres muss sich in Deutschland ein hochbetagter früherer SS-Mann wegen seiner Taten in Auschwitz verantworten.  In Lüneburg wurde im vergangenen Jahr der 94-jährige Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Mord verurteilt, und seit knapp drei Wochen steht in Detmold der ebenfalls 94-jährige frühere Wachmann Reinhold Hanning vor Gericht.

Angeklagter: "Ich bin am Ende"

Die Söhne des Angeklagten hätten am Samstag den ärztlichen Notdienst gerufen, weil ihr Vater bewegungsunfähig auf der Bettkante saß, berichtete Kabisch. Die Notärztin diagnostizierte erhöhten Blutdruck und eine depressive Störung. Der 95-jährige habe sich in einer akuten Stresssituation befunden und gegenüber der Ärztin und den Söhnen Selbstmordgedanken geäußert. „Ich will zu Mutti“, habe er gesagt und damit seine 2011 verstorbene Frau gemeint. „Ich kann nicht mehr, ich bin am Ende.“

Die Verhandlungsfähigkeit ist bereits seit Monaten die umstrittenste Frage in diesem Verfahren. Zafkes Anwälte, darunter Peter-Michael Diestel, der letzte Innenminister der DDR, hatten bereits im vergangenen Jahr geltend gemacht, dass ihr betagter Mandant verhandlungsunfähig sei. Das Landgericht Neubrandenburg schloss sich dem an und entschied im Juni, dass es deshalb kein Hauptverfahren geben würde. Von einer Demenz war die Rede, die zu ausgeprägten kognitiven Einschränkungen geführt habe. Doch die Staatsanwaltschaft Schwerin legte Beschwerde gegen den Beschluss ein. Die Verhandlungsunfähigkeit sei „rechtsfehlerhaft festgestellt“ worden. Das Oberlandesgericht Rostock entschied nach einem weiteren Gutachten, dass der mittlerweile 95-Jährige eingeschränkt verhandlungsfähig sei, und eröffnete das Verfahren.

Doch sowohl die Staatsanwälte als auch Nebenklagevertreter hatten den Eindruck, dass das Landgericht Neubrandenburg diesen Prozess am liebsten so schnell wie möglich einstellen will. So sollten am ersten Prozesstag nur zwei Sachverständige zur Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten gehört werden. Die Verlesung der Anklage war dagegen gar nicht erst geplant, und anders als beispielsweise im Detmolder Auschwitz-Verfahren wurde für den ersten Tag kein einziger Zeuge geladen.

Die Staatsanwaltschaft Schwerin stellte deshalb vor Prozessbeginn einen Befangenheitsantrag gegen zwei Richter – ein mehr als ungewöhnlicher Vorgang. Auch der Nebenklagevertreter Cornelius Nestler lehnte die drei Berufsrichter wegen Befangenheit ab. Er beanstandete den Umgang des Gerichts mit einem Auschwitz-Überlebenden, der Nebenkläger in dem Verfahren ist. Das Gericht wies die Befangenheitsanträge als unbegründet zurück. Insgesamt gibt es in dem Prozess drei Nebenkläger, deutlich weniger als in den anderen Auschwitz-Verfahren.

Vor Gericht lieferten sich der Vorsitzende Richter und die Verteidiger am Montag einen Schlagabtausch mit den Nebenklageanwälten, etwa zu der Frage, ob ein Amtsarzt oder der im Gerichtssaal anwesende Psychiater den Angeklagten untersuchen solle. Die Verhandlungsunfähigkeit lasse sich nicht allein auf Grundlage dessen feststellen, was die Notärztin zwei Tage zuvor bescheinigt habe, sagte Nestler später. Es sei fraglich, ob hoher Blutdruck und Selbstmordgedanken dafür ausreichten.

Verteidiger Diestel: „Verfahren ist mit Todesstrafe gleichzusetzen“

Verteidiger Diestel dagegen sagte, der Prozess sei „verheerend“ für den Gesundheitszustand seines Mandanten. „Das Verfahren ist mit einer Todesstrafe gleichzusetzen, gegen die es kein Rechtsmittel gibt.“  

Die Anklage gegen Z. bezieht sich auf den Zeitraum von Mitte August bis Mitte September 1944. In dieser Zeit kamen mindestens 14 Deportationszüge auf der Rampe des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau an. Die Sanitäter pflegten nicht nur kranke SS-Angehörige, sondern wurden auch in den Häftlingskrankenbauten eingesetzt. Sie begleiteten beispielsweise die Lagerärzte, wenn diese dort im Rahmen einer so genannten Selektion Häftlinge in die Gaskammern schickten. Ein Teil der SS-Sanitätsdienststaffel bildete außerdem das so genannte „Desinfektionskommando“. Dessen Aufgabe war es, das tödliche Zyklon B in die Gaskammern zu schütten.

Z. selbst sagte in einer Vernehmung, er sei nicht schuldig, er selbst sei kein Täter. Mit dem, was in Auschwitz geschah, will er nichts zu tun gehabt haben.

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