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Politik: Ausgesuchte Kontrolle

US-Präsident Bush fordert Initiativen gegen Massenvernichtungswaffen – und will auch ein wenig die Internationale Atombehörde in Wien stärken

Von Malte Lehming

und Sven Lemkemeyer

Die Initiative kam überraschend. Nie zuvor hatte US-Präsident George W. Bush derart ausführlich über die Gefahr der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen gesprochen. Und nie zuvor hatte ein US-Regierungsmitglied so detailliert das Netzwerk des pakistanischen Atomwissenschaftlers Abdul Qadir Khan beschrieben. Der wird beschuldigt, Nukleartechnologie an Nordkorea, Libyen und Iran geliefert zu haben. Einen Großteil seiner Schwarzmarkt-Geschäfte hat Khan gestanden.

Bush appellierte an die internationale Gemeinschaft, noch schärfer die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu bekämpfen. Ganz oben steht für Bush dabei die Stärkung eines besonderen Bündnisses, der „Proliferation Security Initiative" (PSI). Ihr gehören neben den USA mehr als ein Dutzend weitere Länder an, auch Deutschland und Frankreich. Ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates haben sich die PSI-Staaten verpflichtet, den Transport von ABC-Waffen „zu Land, auf dem Wasser und in der Luft" zu unterbinden. Bush will, dass sich die Kooperation zusätzlich darauf erstreckt, Waffenhändler zu verfolgen.

Die PSI ist eine neue „Koalition der Willigen". Zwar forderte Bush auch eine effizientere Arbeit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), aber das grundsätzliche Misstrauen seiner Regierung gegenüber völkerrechtlich verbindlichen Vertragswerken und internationalen Organisationen bleibt. Um es auf eine kurze Formel zu bringen: Bush will, dass das Nuklearmonopol der fünf Atommächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich unangetastet bleibt, im Falle von Pakistan, Indien und Israel ein Auge zugedrückt wird, der Handel der meisten Industrieländer mit Atomgütern ungestört fortgesetzt werden kann. Gleichzeitig sollen missliebige Regime, die verdächtig sind, Technik oder Pläne für den Bau von Massenvernichtungswaffen zu verbreiten, noch stärker als bisher ins Visier genommen werden.

Einer der Hauptinitiatoren des PSI-Programmes, das seit etwa einem Jahr besteht, ist der Staatssekretär im US-Außenministerium John Bolton. Und der als einer der einflussreichsten Köpfe der Bush-Regierung geltende Bolton nahm ausgerechnet am Donnerstag an einer Veranstaltung der Hessischen Stfiftung Friedens- und Konfliktforschung in Berlin teil. Thema: „Massenvernichtungswaffen als Herausforderung für das deutsch-amerikanische Verhältnis“. Bolton lobte dabei die Erfolge, die die USA mit Europa und besonders Deutschland bereits erzielt hätten– zum Beispiel „durch das Abfangen von Lieferungen mit kritischen Technologien“ – bereits erzielt hätten. Doch er betonte auch, die US-Regierung behalte sich gegenüber den Schurkenstaaten – hier nannte er Nordkorea, Iran, Syrien und Kuba – den Einsatz militärischer Gewalt weiter vor. Auf der gleichen Veranstaltung begrüßte der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Klaus Scharioth, die Äußerungen des US-Präsidenten „ausdrücklich“. Besonders erfreulich sei, dass Bushs Vorschläge auch Anreize für kooperationsbereite Staaten vorsähen. Auch Frankreich nahm die Vorschläge Bushs am Donnerstag mit positivem Interesse auf.

Zufall oder nicht, auch der Direktor der Wiener IAEO, Mohammed al Baradei, sprach sich in einem am Donnerstag veröffentlichten Beitrag in der „New York Times“ für eine deutliche Verschärfung des Atomwaffensperrvertrages aus. Nach dem Streit über die Waffeninspektionen von UN und IAEO vor dem Irakkrieg bewegt man sich offensichtlich wieder aufeinander zu. Wenn die Welt nicht entschlossener gegen die Verbreitung von Atomwaffen vorgehe, riskiere sie ihre Selbstzerstörung, warnte al Baradei in den Artikel. Es gebe einen zunehmenden Handel mit Atombomben-fähigem Material und Technologie. Al Baradei stimmte US-Präsident Bush zu, dass der Export von Nuklearmaterial strenger kontrolliert werden müsse. Weniger als ein Fünftel der 191 UN-Mitgliedstaaten hätten das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag gebilligt. Das Dokument, das schärfere Kontrollen erlaube, sollte für alle Staaten gelten, forderte al Baradei. Der IAEO-Chef tritt außerdem dafür ein, dass die offiziellen Atommächte einen klaren Plan für Abrüstungsschritte aufstellen.

Der Nahost-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, begrüßte die neuen Initiativen. Das Beispiel Pakistan habe gezeigt, dass die Atomwaffenkontrolle nicht ausreichend funktioniere, sagte er. Bushs Forderung, die IAEO zu stärken, hält Perthes für einen durchaus ernst zu nehmenden Vorschlag, selbst wenn sie sicher auch auf den innenpolitischen Druck zurückzuführen sei. „Aber dies ist ein weiterer Schritt auf die UN zu. Die USA wollen damit demonstrieren, dass sie keine Unilateristen sind.“

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