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Politik: Ausnahmsweise

Der Rauchverbotskompromiss gefällt weder Ärzten noch Opposition. Und für Gastronomen ist er unklar

„Mit einer halben Zigarette lebt man nicht doppelt gesund“, sagt Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe. Will heißen: Nicht jeder Kompromiss bringt wirklich was. Zum Beispiel der eben von den Regierungsfraktionen gefundene zum Nichtraucherschutz, der nur dem Restaurantbesucher und -kellner qualmfreie Räume verordnet, nicht aber dem Kneipengänger und dessen Bedienung. „Die Unterscheidung zwischen rauchfreien Restaurants und Schankgaststätten ohne jeden Nichtraucherschutz ist widersinnig und gerade im Hinblick auf den Arbeitsschutz des Personals absolut kontraproduktiv“, wettert Deutschlands oberster Mediziner.

Indirekt gestehen Letzteres auch die am Kompromiss beteiligten Politiker ein. Hätte man die geplanten Verbote arbeitsschutzrechtlich begründet, wären Ausnahmen unmöglich gewesen, sagt Arbeitsgruppenmitglied Annette Faße (SPD). „Und dann hätte die Union nicht mitgemacht.“ So empfiehlt die AG zur Begründung lieber den Gesundheitsschutz, der „flexibler“ sei, wie es Staatssekretärin Marion Caspers-Merk (SPD) ausdrückt. Etwa derart, dass der Schutz von jugendlichen Disko- oder Restaurantbesuchern wichtiger ist als der von alten Kneipenhockern. Und eine Begründung für die geplanten Eingriffe braucht der Bund nun mal, denn das Gaststättenrecht ist seit der Föderalismusreform Ländersache.

Die Unterscheidung zwischen Restaurant und Kneipe – rechtlich genauer: zwischen Speise- und Schankwirtschaft – sei für Ausnahmen am sinnvollsten gewesen, sagt Faße. Alles andere hätte die Auslegungsfantasie der Gastronomen beflügelt. Wäre etwa die Raumgröße rauchverbotsentscheidend wie in Spanien, hätten Tricksereien mit Gängen, Toiletten, Nebenzimmern begonnen. Hätte man die Zahl der Sitzplätze zugrunde gelegt, hätten findige Wirte schnell mal ein paar Stühle rein- oder rausgestellt. Hätte man die Raumluft als Kriterium genommen, hätte man dauernd messen müssen.

Allerdings scheint auch der Freibrief für Schankwirtschaften Interpretationsmöglichkeiten zu bieten. Da die deutsche Gastronomie „sehr facettenreich“ sei, wäre die Abgrenzung „eine Herausforderung der ganz eigenen Art“, warnte die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, Ingrid Hartges, im Tagesspiegel. Ab wie viel Buletten und Currywürsten ist man noch Schank- und nicht schon Speisewirtschaft? Hier gebe es noch „großen Gesprächsbedarf“, meint Hartges.

Man müsse sich eben an der bisherigen Genehmigungspraxis orientieren, rechtfertigen sich die AG-Mitglieder. Dass die Definition mitunter variabel ist, haben sie aber selber deutlich gemacht. Um ein Rauchverbot in Diskotheken begründen zu können, ordneten sie diese kurzerhand den Speisewirtschaften zu. Dies zeige, dass die Unterscheidung „ keine logische Differenzierung, sondern lediglich ein fauler politischer Kompromiss ist“, argumentieren die Grünen. Beim Nichtraucherschutz falle die Einigung jedenfalls „weit hinter europäischen Standard“ zurück.

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