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Bundesaußenminister Guido Westerwelle

© picture-alliance/ dpa

Außenminister im Interview: Westerwelle: Rot-Grün ist eine Gefahr für Europa

Bundesaußenminister Guido Westerwelle spricht im Interview über die internationale Bedeutung der kommenden Bundestagswahl, über Schulden, politische Fehler von "historischem Ausmaß" und über Hilfe für die syrischen Rebellen.

Herr Außenminister, wenn Sie einen Bürger dazu motivieren wollten, sich im Herbst an der Bundestagswahl zu beteiligen, was würden Sie ihm dann sagen?

Bei der Bundestagswahl geht es in diesem Jahr nicht nur um das Schicksal Deutschlands, sondern auch um das Schicksal Europas.

Zwischen welchen Alternativen muss der Wähler Ihrer Meinung nach entscheiden?

Es wird um die Frage gehen, ob wir in Europa den Dreiklang aus Solidarität, Wachstumspolitik und Haushaltskonsolidierung fortsetzen oder ob wir wieder in die alte, gescheiterte Schuldenpolitik zurückfallen und die Schotten wieder öffnen. Das Schuldenmachen hat uns in die Krise gebracht. Dennoch glauben manche ja offenbar immer noch, wir könnten die Schuldenkrise dadurch lösen, dass wir das Schuldenmachen erleichtern.

Sie werfen SPD und Grünen also vor, sie wollten die Regierung übernehmen, um zur alten Schuldenpolitik zurückzukehren?

SPD und Grüne haben deutlich gemacht, dass sie sich von der Konsolidierungspolitik verabschieden wollen. Das möchte ich verhindern. Schuldenpolitik ist gegen deutsche und europäische Interessen gerichtet, weil sie den Euro weichmacht und noch mehr Arbeitslosigkeit schafft. Es wäre auch gegen deutsche und europäische Interessen, wenn Deutschland mit Euro-Bonds gesamtschuldnerisch die Haftung für die Schulden ganz Europas übernimmt. Für mehr Wachstum brauchen wir keine schuldenfinanzierten Strohfeuer, sondern Reformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Dennoch verfolgt die Opposition eine Politik, gemeinsam mit anderen in Europa die Defizitkriterien erneut aufzuweichen.

Bisher wurden fast alle Entscheidungen zur Euro-Krise im Bundestag von SPD und Grünen mitgetragen. Diese Gemeinsamkeit sehen Sie aufgekündigt?

Wir haben in Deutschland die Schuldenbremse gemeinsam in die Verfassung geschrieben. Wir haben mit dem europäischen Fiskalpakt durchgesetzt, dass die Beendigung der Schuldenpolitik in ganz Europa zur Regel wird. Dass die Umsetzung des Fiskalpaktes jetzt ausgerechnet bei uns zu Hause im Bundesrat durch eine Koalition von SPD, Grünen und Linkspartei aufgehalten wird, halte ich für einen zu wenig beachteten Skandal. Das zeigt doch in aller Klarheit, was Deutschland und Europa von einer rot-rot-grünen Regierung erwarten dürfen. Die Schuldenpolitik in Deutschland und in Europa neu aufzulegen, wäre ein Fehler von wahrhaft historischem Ausmaß.

Wie wollen Sie den verhindern?

Ich werde mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die amtierende Koalition von den Wählern den Auftrag für eine zweite Amtszeit bekommt.

Haben Sie keine Angst, dass Ihre Argumentation nur Kanzlerin Angela Merkel stärkt, aber nicht die Liberalen?

Diese Regierung hat ihre Erfolge gemeinsam erarbeitet. In Europa kann man sehen, warum liberale Politik so wichtig ist. Es muss eben zuerst erwirtschaftet werden, was nachher verteilt werden kann. Das haben wir in Deutschland beherzigt. Überall wo in Europa diese goldene Regel des Liberalismus durch Schuldenpolitik nicht eingehalten wurde, gibt es heute Massenarbeitslosigkeit, besonders bei der Jugend.

Sie reden zudem davon, dass Europas Umgang mit der Krise auch seine Stellung in der Welt definiert. Was meinen Sie damit?

Wir müssen der Welt beweisen, dass westliche Demokratien in der Lage sind, aus der Schuldenkrise die richtigen Lehren zu ziehen und zur Soliditätspolitik zurückzukehren. Altkanzler Gerhard Schröder hat recht, wenn er sagt, dass die Reformen der Agenda 2010 nicht zurückgedreht werden dürfen. Wir müssen in Europa voranschreiten, wir brauchen mehr Wettbewerbsfähigkeit, mehr Investitionen in Bildung, Ausbildung und Infrastruktur. Die Welt um uns herum schläft nicht, Asien und Lateinamerika schreiten mit großer Geschwindigkeit voran. Schauen Sie sich Projekte wie den Berliner Flughafen an. Die Welt nimmt mit Kopfschütteln zur Kenntnis, dass Berlin in Deutschland nicht in der Lage ist, ein solches Projekt zeitig fertigzustellen. Der Stillstand des Berliner Flughafens ist eine Rufschädigung des Gütesiegels „Made in Germany“. Wir müssen in Deutschland schneller werden, wenn wir besser bleiben wollen.

"Wir müssen alles Verantwortbare tun, um die syrische Opposition zu unterstützen"

An diesem Wochenende wählt die FDP auf dem Parteitag in Berlin eine neue Spitze. Wie wichtig ist es, dass der Vorsitzende Ihres Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Christian Lindner, zum ersten Stellvertreter des FDP-Chefs gewählt wird?

Nordrhein-Westfalen ist der größte Landesverband der FDP, und bei der Bundestagswahl wird das Ergebnis besonders vom Abschneiden in Nordrhein-Westfalen abhängen. Es ist daher gut und wichtig, dass Christian Lindner an herausgehobener Stelle in der Parteispitze in den Wahlkampf ziehen wird. Er ist eine überzeugende Persönlichkeit, die ich nach Kräften unterstütze.

Herr Minister, kommen wir zur Außenpolitik: Sehen Sie in Syrien noch die Chance für eine politische Lösung?

Die Lage in Syrien ist unverändert bestürzend. Die Bundesregierung will dazu beitragen, dass es trotz aller Schwierigkeiten doch zu einer politischen Lösung kommt. Ich rate dazu, dass wir die politischen Initiativen des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon, des UN-Sonderbeauftragten Lakhdar Brahimi und die des Präsidenten der Nationalen Koalition der syrischen Opposition (NK) ernst nehmen und unterstützen. Scheich Moaz al Khatib, der Sprecher der Nationalen Koalition, hat sich bereit erklärt, mit Vertretern des syrischen Regimes in einen direkten Dialog zu treten. Das war eine bemerkenswerte, wichtige Aussage.

Die EU will die Opposition gegen Syriens Staatschef Baschar al Assad stärker unterstützen. Was wollen die Europäer den Rebellen liefern?

Die EU hat das Waffenembargo gegen Syrien aus guten Gründen nicht aufgehoben. Stattdessen haben wir die Sanktionen zum 1. März insgesamt angepasst. Waffenlieferungen bergen immer die Gefahr eines Aufrüstungswettlaufs und des Schlitterns in einen Stellvertreterkrieg, der die gesamte Region in einen Flächenbrand versetzen könnte. Natürlich müssen wir alles Verantwortbare tun, um die Opposition zu unterstützen. Deswegen haben die EU-Außenminister die Sanktionspolitik so angepasst, dass nun Schutz- und Ausrüstungsgegenstände an die Opposition geliefert werden können. Wir sollten aber nicht nur an militärische Fragen denken, sondern die Opposition in jenen Regionen unterstützen, wo sie schon die Kontrolle übernommen hat. Ich denke dabei an Hilfe von der Gesundheitsversorgung bis zum Aufbau der Infrastruktur.

Gehören zu Schutz- und Ausrüstungsgegenständen etwa auch Schutzwesten, gepanzerte Fahrzeuge, Nachtsichtgeräte?

Wir reden über Ausrüstungsbestandteile, die keine tödliche Wirkung entfalten können. Darunter sind vor allem defensive Komponenten wie zum Beispiel Schutzwesten. Sie können auch an Minensuchgeräte denken. Im Einzelnen müssen das nun die Experten besprechen.

Es gibt Medienberichte, wonach EU-Staaten Militärausbilder für die Rebellen schicken wollen und Kämpfer an Waffen unterweisen werden. Geschieht das mit ausdrücklicher deutscher Zustimmung?

Weder Deutschland noch die Europäische Union verfolgen solche Pläne. Wenn einzelne EU-Staaten so etwas planen sollten, werden sie sich mit uns und den übrigen Partnern beraten.

Das Gespräch führten Hans Monath und Antje Sirleschtov.

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