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Außenpolitik: Zeit für starke Töne

In Paris und Warschau scheint Deutschlandkritik angesagt – aber die Kanzlerin bleibt gelassen.

Nimmt man jüngste Äußerungen zur Außenpolitik aus Polen und Frankreich zum Maßstab, könnte man fast den Eindruck bekommen, dass Deutschland über Nacht ins Zentrum der europäischen Kritik gerückt sei. Am vergangenen Wochenende, als Polens Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski in Posen den Wahlkampf in seinem Land eröffnete, bezeichnete er es als einen „Skandal“, dass der Präsident des Europaparlaments, der deutsche CDU-Politiker Hans-Gert Pöttering, an einer Tagung des Vertriebenenverbandes in Berlin teilnahm. Aus dem Nachbarland im Westen hieß es dann wenige Tage später, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy sei „zunehmend genervt“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das berichtete die „Rheinische Post“ und berief sich auf Sarkozys Regierungspartei UMP. Zwar ist auch in der Außenpolitik richtig, was im Alltagsleben gilt: Es ist auf Dauer selten hilfreich, „everybody’s darling“ zu sein. Dennoch ist die Frage erlaubt: Wie gefährlich kann Kritik polnischer und französischer Regierungsvertreter für die Europapolitikerin Merkel werden?

Henrik Uterwedde vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg glaubt nicht, dass die antideutschen Töne aus Paris und Warschau Vorboten einer „Woge des Nationalen“ sind, die demnächst auf Europa zurollen und das bisherige europäische Gemeinschaftswerk gefährden könnte. Nicht zu leugnen ist aber, dass Warschau derzeit innerhalb der EU im Zweifel gerne den Sonderweg wählt: Am Donnerstag kündigte die polnische Regierung offiziell an, ebenso wie Großbritannien der EU-Grundrechtecharta nicht beizutreten.

Was ist indes von der Außenpolitik des neuen französischen Staatschefs zu halten? Sarkozy rücke das nationale Interesse Frankreichs stärker in den Mittelpunkt als seine Vorgänger, sagt Frankreichexperte Uterwedde. Es sei verständlich, „dass man in Berlin nicht amüsiert ist, wenn Sarkozy versucht, seine One-Man-Show auf Europa auszudehnen“. So präsentierte Sarkozy im Juni den Erfolg des Brüsseler EU-Gipfels beim Ringen um die Reform der europäischen Institutionen so, als habe er den Durchbruch quasi im Alleingang geschafft – trotz der Bemühungen Merkels. Dann bat er die Kanzlerin, sie möge ihren Finanzminister Peer Steinbrück abkanzeln, weil der im Kreis der EU-Finanzminister Kritik an Frankreichs Budgetplänen geäußert hatte – was Merkel aber nicht tat. Und schließlich heimste Sarkozy die Lorbeeren für die Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern aus libyscher Haft ein.

Uterwedde bewertet es als „sehr angenehm“, dass die Kanzlerin, mit Sarkozys offensichtlichem Tatendrang konfrontiert, „kein Öl ins Feuer gießt“. Dabei mache Merkel aber die deutschen Interessen hinreichend klar – etwa das Festhalten an der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. Von einer „Krise“ im deutsch-französischen Verhältnis will Uterwedde nicht sprechen. Es seien aber „ein paar Warnlämpchen angegangen – damit man mehr miteinander spricht“.

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