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Politik: Aussitzen reicht nicht

Polens Sozialdemokraten haben ihren Kredit verspielt – die Linke steht vor einem mühsamen Neuanfang

Zuversichtlich präsentierte der frisch vereidigte Wahlsieger im Herbst 2001 sein Regierungsprogramm. „Mindestens vier Jahre“ werde die Koalition seiner sozialdemokratischen SLD mit der Bauernpartei PSL halten, versprach Polens damaliger Premier Leszek Miller voller Tatendrang. 16 Monate danach sollte sich seine Prophezeiung bereits als falsch erweisen. Zwar konnte sich Miller nach dem Abschied der PSL aus dem schlingernden Regierungsboot noch bis Mai 2004 als Chef eines Minderheitskabinetts im Amt halten. Doch sein tatenloses Aussitzen unzähliger Skandale hat nicht nur seine Partei in der Wählergunst tief fallen lassen, sondern auch „Macher“ Miller einen herben Karriereknick beschert: Selbst eine Kandidatur für den Sejm verwehrte die verjüngte Führungsriege der SLD ihrem in Ungnade gefallenen Ex-Premier bei der Parlamentswahl am Sonntag.

Leicht war die Ausgangslage für die SLD bei ihrer Machtübernahme vor vier Jahren keineswegs. Das abgewählte Kabinett des konservativen Ex-Premiers Jerzy Buzek hatte der neuen Regierung zerrüttete Staatsfinanzen, ein sinkendes Wachstum und steigende Arbeitslosenzahlen hinterlassen. Zu allem Übel war Warschau bei den Verhandlungen mit Brüssel in Verzug geraten. Die anvisierte Beschleunigung der Beitrittsverhandlungen und eine gewisse Konsolidierung des Haushalts sollte dem Kabinett von Miller gelingen. Polen trat wie geplant am 1. Mai 2004 der EU bei. Mai 2004 der EU bei.

Doch mehr Erfolge waren Miller während seiner Amtszeit nicht beschieden. Obwohl das Wachstum bald an Fahrt gewann, sollte die Popularität der SLD stetig fallen. Dazu trug die unveränderte hohe Arbeitslosenrate von knapp 18 Prozent bei. Interne Probleme kamen dazu: Lähmte Millers Kabinett zunächst der Dauerclinch mit den Bauernlobbyisten der PSL, stand es nach deren Rauswurf ohne stabile Mehrheit da. Fragwürdige Ministerwechsel, Korruptionsskandale und das Festhalten an diskreditierten Genossen sollten die Position von Miller weiter schwächen. Auf einem Sonderparteitag im März 2004 gelang es dem Strippenzieher zwar, die Forderungen des Reformflügels nach einem grundlegenden Wandel abzubügeln. Doch der Erfolg sollte sich als Pyrrhus-Sieg erweisen. Ernüchtert spaltete sich die Reformer wenig später von der SLD ab, gründeten die SdPl.

Viel zu spät musste Miller im Mai 2004 seinen Premiersessel für den Wirtschaftsfachmann Marek Belka räumen. In der Hoffnung auf bessere Zeiten verhinderte die SLD jedoch die von dem neuen Premier zugesagten frühzeitigen Neuwahlen. Belka ging zu seinen alten Genossen rasch auf Distanz, trat zu den liberalen Demokraten über. Auch die Hoffnungen der SLD, dass der populäre Parlamentsvorsitzenden Wlodimierz Cimoszewicz sie als Kandidat für die Präsidentschaftskür im Oktober noch rechtzeitig vor der Parlamentswahl aus dem Umfragetief führen könnte, erfüllte sich nicht. Wegen der herben Kritik an einstigen Aktiengeschäften warf der entnervte Ex-Premier Mitte September frühzeitig das Handtuch. Ob der neuen SLD-Führung nach der erwarteten Wahlschlappe die Wiederannäherung an die SdPl gelingt, muss sich noch zeigen: Polens Linken steht in der Opposition ein schwieriger Neubeginn bevor.

Thomas Roser[Warschau]

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