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Politik: Auswärtiger Dienst: Diplomaten gelten als altmodisch, werden aber gerade in der globalen Welt gebraucht (Kommentar)

Renate Wallert - den Namen kennt jeder Fernsehzuschauer. Auch dass Unterhändler mit zungenbrecherischen Namen sich um ihre Freilassung verdient gemacht haben, ist den meisten geläufig.

Renate Wallert - den Namen kennt jeder Fernsehzuschauer. Auch dass Unterhändler mit zungenbrecherischen Namen sich um ihre Freilassung verdient gemacht haben, ist den meisten geläufig. Aber Wolfgang Göttelmann? Fehlanzeige. Der Mann ist Botschafter auf den Philippinen. Die nach wie vor schwelende Geiselaffäre fesselt den Diplomaten an seinen Arbeitsplatz. So fehlt er auch bei der ersten Botschafterkonferenz in der bald 130-jährigen Geschichte des deutschen Auswärtigen Dienstes. Leider. Denn zur Debatte über dessen Reform, die Außenminister Joschka Fischer angestoßen hat, könnte er eine Menge beitragen.

Humanitäres Krisenmanagement heißt der neue Fachausdruck. Was Wolfgang Göttelmann jenseits der Aufmerksamkeit der Kamerateams auf Jolo zu tun hat, darauf werden junge Diplomaten in Zukunft besser vorbereitet werden müssen. Mit einem entsprechenden Lagezentrum hat das "Mutterhaus" schon vor einiger Zeit auf die Entwicklung zu vielen kleinen Instabilitäten reagiert, die es zunehmend in der Welt nach dem Ende der großen Stabilität des Ost-West-Konfliktes gibt. Auch und gerade angesichts solch neuer Herausforderungen sind klassische Tugenden des Diplomaten gefordert wie Diskretion, Verhandlungsgeschick und eine profunde Kenntnis des Landes.

Der Konsul mit Sektglas auf der Cocktailparty, der innenpolitische Botschaftsrefernt, der Daten übermittelt, die man in der Zentrale umfassender aus dem Internet herunterlädt, der Militärattachee, der mit seinem Bericht über die Katastrophe der Kursk viel langsamer ist als die Reporter von CNN - mit solchen Bildern ist es Mode geworden, den Auswärtigen Dienst als eine ziemlich überholte Einrichtung zu denunzieren. Hubert Vedrine, Außenminister aus dem klassischen Land der Diplomatie, hat dem auf der Berliner Konferenz, die übrigens einem französischen Vorbild folgt, leidenschaftlich widersprochen. Professionelle, hoch qualifizierte Diplomaten, so sein Plädoyer, werden in Zukunft eher mehr als weniger gebraucht. Das gilt übrigens auch für die belächelten "Sachstandsberichte". Es kommt halt darauf an, dass sie mehr vermitteln als nackte Internet-Fakten, dass sie gesättigt sind mit Erfahrung und politischem Verstand.

Aber richtig ist auch: Die "Public Diplomacy", das öffentliche Auftreten der Botschafter, darf sich nicht mehr auf Parties beschränken. Mit TV-Interviews ihrer Diplomaten oder eben auch mit Web-Sites ihrer Botschaften versuchen die Regierungen, Einfluss auf die öffentliche Meinung ihrer Partner zu nehmen. Die Globalisierung macht die Botschaften nicht nur immer stärker zu Agenturen der Außenwirtschaftsförderung, sondern auch zu Serviceeinrichtungen ihrer Bürger in aller Welt. Fischer will dem auch durch eine Umorganisation der Steuerung in der Zentrale Rechnung tragen.

Von Zöpfen, die abgeschnitten werden müssten, hat der Minister zum Auftakt der Botschafterkonferenz gesprochen. Auch das ist richtig. Aber ein schnelles "Schnipp schnapp" wird es kaum geben. Zu den wichtigsten Hemmnissen für einen modernen diplomatischen Dienst gehört das Beamtenrecht, gehören die hergebrachten Laufbahnen, die Verantwortung mit dem Lebensalter wachsen lassen. In Zeiten, in denen "Start Up"-Unternehmer mit kaum 30 Jahren Millionen bewegen, macht das die Diplomatie nicht eben attraktiv.

Auch dem zentralen Argument, warum der diplomatischen Dienst überlebt sei, hat der Franzose Vedrine in Berlin widersprochen - dem Bedeutungsverlust durch die Globalisierung. Gerade wenn internationale Wirtschaftsunternehmen heute so mächtig agieren wie Nationalstaaten, gerade wenn die Märkte alle Bereiche durchdringen, so sein Argument, wird es immer wichtiger, dass die Politik als Ausdruck demokratischer Willensbildung der Staaten international ihr Recht behauptet und, wo es nötig ist, neue Regeln setzt. Der gute alte diplomatische Dienst bleibt dafür, in reformierter Form, ein ebenso klassisches wie modernes Instrument.

Thomas Kröter

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