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Baden-Württemberg: Die Grünen müssen Rücksicht nehmen

Die SPD stellt im Südwesten mehr Minister als die Grünen. Der designierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann sieht darin kein Problem. Aber in seiner Partei passt das nicht jedem.

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Im Stuttgarter Landtag sind die neuen Machtverhältnisse bereits zementiert. Der Umbau des Plenarsaals ist knapp fünf Wochen nach dem historischen Wahlsieg von Grün-Rot so gut wie abgeschlossen. In den neu sortierten Abgeordnetenbänken haben die Grünen nun drei Sitze statt einem in der ersten Reihe, CDU und SPD haben je einen eingebüßt.

Auf der Regierungsbank dagegen haben die Grünen den Genossen mehr Platz eingeräumt als parteiinternen Kritikern lieb ist: Während die SPD sechs Fachressorts und sieben Ministerposten erhält, begnügt sich die Ökopartei neben dem Regierungschef mit vier Fachressorts und fünf Ministerposten. Das Wahlergebnis (24,2 Prozent und 36 Abgeordnete für die Grünen; 23,1 Prozent und 35 Abgeordnete für die SPD) spiegelt das nur bedingt wider. „Wer bei uns noch meckert, kann nicht zählen“, sagt daher ein Mitglied der SPD-Verhandlungsdelegation. Man habe im Kabinett dank weiterer stimmberechtigter Mitglieder trotzdem die Mehrheit, argumentiert dagegen der designierte Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) intern. Er musste indes auch Rücksicht auf die Befindlichkeiten der SPD nehmen, die mit ihrer Rolle als Juniorpartner der Grünen hadert.

Tatsächlich ist die Ressortaufteilung für beide Seiten zwiespältig. Die Grünen haben sich parteistrategisch wichtige und öffentlichkeitswirksame Ressorts gesichert: Wissenschaft, ländlicher Raum, Umwelt, Verkehr. Angesichts von vier Eliteuniversitäten im Land und der Ankündigung, die Studiengebühren abzuschaffen, lässt sich mit dem Wissenschaftsministerium gut punkten. Das Agrarressort – in Verbindung mit dem populären Thema Verbraucherschutz – will die Großstadtpartei nutzen, um der CDU auch auf dem Land die Vorherrschaft streitig zu machen. Mit dem Umweltministerium haben die Grünen zudem die Hoheit über die angekündigte Energiewende.

Noch wichtiger für die Stammklientel ist aber das neu geschaffene Ministerium für Verkehr und Infrastruktur. Ein grüner Verkehrsminister, lautet die verbreitete Hoffnung der Basis, werde schon vor einer möglichen Volksabstimmung für das Aus des Bahnprojekts Stuttgart 21 sorgen. Die SPD hat daher durchgesetzt, dass immer ein roter Aufpasser mit am Tisch sitzt, wenn es um den Hauptbahnhof geht. „Jede Vorlage zu Stuttgart 21 geht durch den Koalitionsausschuss. Der ist pari-pari besetzt“, sagt SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Damit wird das tief sitzende Misstrauen bei diesem Streitthema nun institutionalisiert. In Verkehrsfragen liegt man generell weit auseinander. Während SPD-Protagonisten wie Schmiedel („Wo ein Bagger steht, geht es uns gut“) und Landeschef Nils Schmid („Wir haben Benzin im Blut“) das Straßennetz ausbauen wollen, setzen die Grünen auf den öffentlichen Nahverkehr.

Die SPD sieht sich an anderer Stelle im Vorteil. Schmid kann als „Superminister“ für Finanzen und Wirtschaft einen Teil des Geldes, das er hüten soll, auch wählerwirksam ausgeben. Mit der Bildung bespielt die Partei den zentralen Schauplatz der grün-roten Reformen. Dazu kommen die klassischen Ressorts Inneres, Justiz und Arbeit und das zur Außenwirkung nützliche neue Integrationsministerium, auf das auch die Grünen scharf waren. Stolz sind die Genossen darauf, dass sie den Bundesratsminister stellen, der die Interessen des Landes in Berlin vertritt.

Am Mittwoch soll das Kabinett präsentiert werden. Bei der SPD sind die Landtagsabgeordneten Katrin Altpeter (Arbeit/Soziales), Reinhold Gall (Inneres) und Rainer Stickelberger (Justiz) gesetzt. Bundesratsminister dürfte der Generalsekretär der Südwest-SPD Peter Friedrich werden. Das Kultusressort läuft auf die Mannheimer Bildungsbürgermeisterin Gabriele Warminski-Leutheußer zu. Nach einer Frau fürs Integrationsressort sucht Schmid noch.

Bei den Grünen gestaltet sich der Prozess schwieriger. So wollen die Stuttgarter Grünen, die mit drei Direktmandaten wuchern können, ins Kabinett. Die Frauen fordern eine paritätische Besetzung nach Geschlechtern. Auch der linke Flügel macht Druck. Bisher werden vor allem Realos gehandelt – mit einer Ausnahme: Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, der Tübinger Winfried Hermann, gilt als Favorit für den Posten des Verkehrsministers. Als gesetzt für ein Ministeramt gelten die Grünen-Fraktionsvize Theresia Bauer (Wissenschaft) und Franz Untersteller (Umwelt). Der Bundestagsabgeordnete Alexander Bonde ist als Agrarminister im Gespräch. Für den Staatsminister, der dem Regierungschef den Rücken freihalten soll, sind viele Namen im Gespräch. Spekuliert wird, dass Kretschmann die Landtagsabgeordneten Gisela Splett und Bärbl Mielich als Staatssekretärinnen für Umwelt respektive Agrar ins Kabinett berufen könnte, um das linke Lager zu befrieden und zugleich die Frauenquote zu verbessern.

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