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Der frühere AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen (l.) sitzt neben seinem AfD-Kollegen Heinrich Kuhn im Landtag in Stuttgart in der letzten Reihe.

© dpa

Baden-Württemberg: Platztausch im Parlament macht Zerwürfnis der AfD sichtbar

Die AfD-Fraktion in Baden-Württemberg ist inzwischen in drei Teile zersplittert. Unklar bleibt, wer die Partei derzeit im Landtag vertritt.

Als Hans-Ulrich Rülke, der FDP-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, ans Rednerpult tritt, bedauert er, dass Fotografieren verboten ist. Mit Blick auf die Reihen der 23 Abgeordneten mit AfD-Parteibuch sagt er spöttisch, dass man deren Sitzordnung eigentlich für die Nachwelt ablichten müsste. „Wer weiß, wer dort nächste Woche wo sitzen wird!“

Seit zwei Monaten tagt der neugewählte Landtag, die Sitzanordnung der AfD-Abgeordneten aber hat sich schon das zweite Mal geändert. Erst hatte der wegen antisemitischer Schriften in die Kritik geratene Wolfgang Gedeon einen separaten Platz eingenommen. Nun ist der frühere AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen mit seinen Mitstreitern von der ersten Reihe in die letzte gerückt.

Der muntere Platztausch macht das beispiellose Zerwürfnis im Parlament sichtbar – exakt eine Woche, nachdem AfD-Bundeschef Meuthen und 13 Getreue die AfD-Fraktion verlassen hatten, weil ein Antrag auf Fraktionsausschluss von Gedeon gescheitert war. Dieser hatte erst später, nach einem Gespräch mit Ko-Bundeschefin Frauke Petry,  seinen Austritt erklärt. Das Chaos kommt Grünen, CDU, SPD und FDP für eine Abrechnung  gelegen. Der Landtag, schimpft CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart, sei weder der richtige Ort „für die Hahnenkämpfe einiger AfD-Funktionäre“ noch für einen „bizarren Selbstfindungstrip“ nach dem Motto: „Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?“

Tatsächlich ist nach dem Bruch unklar, wer die Partei derzeit im Landtag vertritt. Formal ist es die achtköpfige Rest-Fraktion, auch wenn ihr der AfD-Bundesvorstand mit großer Mehrheit die Legitimation dazu abgesprochen hat. Ob Meuthen und Co. eine zweite Fraktion von AfD-Abgeordneten mit dem Namen  „Alternative für Baden-Württemberg“ gründen dürfen, lässt die Landtagsverwaltung gerade von drei Gutachtern klären. Für SPD-Fraktionschef Andreas Stoch ist die Sache klar: „Es kann hier im Landtag keine zwei Fraktionen einer Partei geben!“ Doch bis die Frage juristisch geklärt ist, hat die Meuthen-Gruppe die gleichen Rederechte wie eine Fraktion – aber keinen Anspruch auf deren finanzielle Privilegien. 

Gleich drei AfD-Redner treten ans Pult

So treten an dieser Debatte statt einem gleich drei AfD-Mitglieder ans Rednerpult: Der neue Chef der achtköpfigen AfD-Rest-Fraktion, Heiner Merz, der unter dem Gelächter der anderen Parteien behauptet, dass seine Gruppe  Antisemitismus schon immer ablehne. Dann Meuthen für die Ausgetretenen, der es eine „Schmach“ nennt, dass die Ex-Kollegen Gedeons Rauswurf auf der Fraktion verhindert hätten. Er und seine Mitstreiter verfolgten dagegen in der Frage einen „klaren Nulltoleranzgrundsatz“. Schließlich Gedeon selbst, der in einer kruden, von vier Mitgliedern der Rest-AfD-Fraktion gleichwohl beklatschten Rede die These aufstellt, dass „sekundärer Antisemitismus“ nicht mit Antisemitismus gleichgesetzt werden könne.

Gegen Gedeon hat der AfD-Landesvorstand erst am Vorabend ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet – überraschenderweise auf Anregung der AfD-Rest-Fraktion, die dessen Rauswurf aus der Fraktion verhindert hatte. Dies Gruppe will so offenbar ihre Handlungsoptionen erweitern, ohne sich die Antisemitismusvorwürfe gegen den Ex-Kollegen explizit zu eigen zu machen. Ihr Ziel ist es, möglichst viele der Ausgetretenen zurückzuholen – während Meuthen die Entscheidung zu seinen Gunsten sucht. Auch in der von ihm geführten Landespartei, die für den Herbst einen Sonderparteitag mit Neuwahlen plant.

„Wir brauchen eine personelle Neuaufstellung“, sagt Meuthen am Rande der Plenardebatte gegenüber dieser Zeitung. Denn im sechsköpfigen Landesvorstand stehen ihm und zwei Getreuen drei Mitglieder der AfD-Rest-Fraktion gegenüber. Und im Schiedsgericht, das über Gedeons Zukunft in der Partei entscheidet, mischt ausgerechnet Dubravko Mandic mit. Der hatte auf Facebook mal bekundet, dass sich die AfD von der NPD „vornehmlich durch unser bürgerliches Unterstützerumfeld, nicht so sehr durch Inhalte“ unterscheide. Als er Barack Obama im Netz als „Quotenneger“ verhöhnte, hatte der Anwalt sogar selbst ein Parteiausschlussverfahren am Hals. Doch das wurde nach einem „klärenden Gespräch“ mit Meuthen eingestellt , was so mancher im Umfeld des AfD-Bundeschefs inzwischen für falsch hält. Meuthens Leute jedenfalls hoffen, dass der Sonderparteitag auch bei der Besetzung des Landesschiedsgerichts Neuerungen bringt.

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