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Armin Laschet (CDU), Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD), die Spitzenkandidaten der neuen und alten Volksparteien.

© WDR/Oliver Ziebe

Baerbock, Laschet und Scholz im WDR: Die erste TV-Runde als Gewalttour durch außenpolitische Themen

Die drei Kanzlerkandidaten Baerbock, Laschet und Scholz trafen erstmals im TV aufeinander. Es ging zivilisiert zu – nur beim Thema Nahost gab es Reibungen.

Es kann ja noch ein anstrengender Wahlkampf werden. Jedenfalls in den TV-Runden, die sich nun bis Ende September aneinanderreihen werden. Am Donnerstag hat es den Auftakt im neuen Format gegeben: die Kanzlerkandidatin von den Grünen und die Kanzlerkandidaten von Union und SPD, das Trio, das sich um den wichtigsten politischen Posten in Deutschland bewirbt, versammelt zur Debatte im Studio.

Mehrköpfige Spitzenkandidatenrunden sind nichts Neues – aber bislang ging es doch vor allem darum, wer von zweien ins Kanzleramt einzieht. Zuletzt Angela Merkel oder Martin Schulz. Doch nun heißt die Frage: Annalena Baerbock, Armin Laschet oder Olaf Scholz?

Die Premiere des Bewerbertrios – live um 14 Uhr auf „Phoenix“, im Rahmen eines Europaforums des WDR – war weniger eine Debatte der Kontrahenten untereinander als eine etwas angestrengt wirkende Gewalttour durch ein halbes Dutzend europa- und außenpolitische Themen binnen einer Stunde. Hopplahopp als neuer Stil der TV-Debatte? Wenn kaum noch Raum bleibt für direkte Auseinandersetzung, für ein Austauschen von Meinungen, dann gerät das Format in die Nähe von Verbaltwitter.

Immerhin kann Baerbock sich ganz gut durchsetzen, das hat sich wieder bestätigt. Während Scholz doch sehr hanseatisch-höflich wirkt, was ja auch eine Wirkung entfalten kann, und Laschet, weil er nur zugeschaltet war ins Studio, ein bisschen in den Hintergrund geriet.

Aber haben nach einer Sendung, die mit der Frage beginnt, wo die Kandidaten Europa gerade im Alltag erlebt haben, in der dann aber im Fünf-Minuten-Rhythmus die Themen wechseln, die Zuschauer noch einen Überblick über Inhalte?

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Zwei-Prozent-Ziel, transatlantische Beziehungen, Lösung des Nahostkonflikts, Waffen für Israel, Einstimmigkeitsprinzip in der Europäischen Union, Nord-Stream-Pipeline und das Verhältnis zu Russland, immer auch im Verhältnis zu den anderen EU-Staaten, Klimapolitik in Deutschland und weltweit, Migrations- und Flüchtlingspolitik – das ist bei zwei Kanzlerkandidaten schon viel – aber bei dreien?

Zumindest zu Beginn verschwimmen die Linien nicht. Laschet betont, dass für eine Regierung unter seiner Führung das Ausgabenziel der Nato stehe, Mittel in Höhe von zwei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben.

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Scholz hat es da nicht so einfach, er meidet die klare Aussage. Denn einerseits hält es der Vizekanzler und Finanzminister schon auch für seine Leistung, dass die Ausgaben für die Bundeswehr stetig gestiegen sind, man also dem Ziel nähergekommen ist.

Andererseits kann er sich für das Nato-Ziel auch nicht wirklich stark machen – die Moderatorin zitiert seinen Fraktionschef Rolf Mützenich, der eine Abkehr davon verlangt habe. Also lässt Scholz Zweifel erkennen, ob denn die Bindung der Ausgaben an das Bruttoinlandsprodukt, das ja in der Krise einbrach, ein guter Maßstab sei.

Baerbock hat es da einfacher, sie ist die Oppositionskandidatin: Wenn man ein Ziel nicht erreiche oder erreichen wolle, müsse man eben neu überlegen. Das will sie dann offenbar mit US-Präsident Joe Biden tun.

Man müsse darüber reden, was die gemeinsame Sicherheit wert sei, und als Angebot aus Deutschland bringt sie eine Arbeitsteilung ins Gespräch zwischen den USA und Europa, bei der die Europäer sich vor allem um die Finanzierung eines Cyberabwehr-Zentrums kümmern sollten.

Baerbock will Deutschland „weltpolitikfähig“ machen

Ihr Verständnis von transatlantischem Verhältnis läuft auf das Prinzip Augenhöhe hinaus. Und Europa und damit auch Deutschland, so die Grüne, müsse „weltpolitikfähig“ werden. Bei Atomabrüstungsfragen dürfe es nicht allein um Gespräche zwischen Atommächten gehen, da müsse Deutschland mitreden wegen der Atomwaffen, die in Deutschland lagern.

Auch bei der Frage des Einstimmigkeitsprinzips in der EU kann Baerbock freier von der Leber weg reden als der Regierungsvertreter von der SPD und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, der die Kanzlerinnenpartei vertritt. Die Grüne sieht im Übergang zu Mehrheitsentscheidungen auf möglichst vielen Feldern den Schritt hin zu „mehr Europa“. Die EU könne nicht nach dem Prinzip „our nation first“ funktionieren.

Scholz und Laschet sind da vorsichtiger. Der SPD-Kandidat plädiert für ein schrittweises Vorgehen, um erst einmal in der internationalen Steuer- und in der Außenpolitik weiterzukommen. Und Laschet sieht das ähnlich. Er weist Baerbock auf mögliche Folgen hin – die Grünen müssten dann akzeptieren, dass es die europäische Drohne geben könne.

Ein Stündchen mit zu viel Stoff nützt niemanden

Beim Thema Nahost geraten Laschet und Baerbock ein bisschen aneinander. Der Kanzlerkandidat der Union stellt fest, dass man auf palästinensischer Seite nicht mit der Hamas reden dürfe, sondern nur mit Präsident Mahmud Abbas.

Die Grünen-Kandidatin plädiert für „indirekte Kontakte“ mit der Hamas, um auf diese einzuwirken. Von „intensiver Telefondiplomatie“ spricht sie, im engen Austausch mit den USA. Das klingt nach genscherischer Schläue, weshalb Laschet nun doch zeigen will, dass auch er Außenpolitik drauf hat. Es sei doch logisch, raunzt er in die Runde, dass man auf Staaten, die Einfluss auf die Hamas hätten, einwirken müsse.

Das Fazit der ersten Runde des KK-Trios, der einen Kanzlerkandidatin und der beiden Kandidaten? Es braucht mehr Zeit, um Raum zu geben für klare, zusammenhängende Aussagen und auch die Reibereien und kleinen Gemeinheiten, die zu einem solchen Format gehören. Ein Stündchen mit zu viel Stoff – das nützt weder den Bewerbern noch den Wählern.

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