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Lächelnder Verbrecher. Ratko Mladic, einst Anführer der bosnischen Serben, in der Den Haager Verteidigungskabine.

© AFP/Jerry Lampen

Lebenslange Haft für General Mladic: Die Menschenrechte sind unter Verdacht geraten

„Der Schlächter von Bosnien“, Ratko Mladic, bleibt lebenslang hinter Gittern. Das heißt aber nicht, dass die internationale Justiz funktioniert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Caroline Fetscher

Angeklagt, verhandelt, verurteilt – das wollte Ratko Mladic nicht auf sich sitzen lassen. Im November 2017 erhielt der ehemalige General der bosnischen Serben vom Den Haager UN-Tribunal eine lebenslange Haftstrafe wegen des Genozids im Fall Srebrenica und zahlreicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Gegen das Urteil in erster Instanz erhob Mladic Einspruch, er hoffte auf Freispruch. Daraus wird nichts. Am Dienstag hat das Haager Berufungsgericht das Urteil bestätigt.

Ausgezeichnet! Die Internationale Justiz funktioniert, so der Eindruck. Carla del Ponte, ehemalige Chefanklägerin des UN-Tribunals für das ehemalige Jugoslawien, sieht die Sache anders, auch wenn sie den bestätigten Schuldspruch begrüßen wird.

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Del Ponte hat ihren Zorn über den mangelnden politischen Willen der Vereinten Nationen, das internationale Recht konsequent durchzusetzen, jetzt in ein Buch gebracht: „Ich bin keine Heldin. Mein langer Kampf für Gerechtigkeit.“

Schon zu der Zeit, als das erste Mladic-Urteil fiel, haderte die Schweizer Juristin mit dem UN-Apparat. Im Oktober 2017 verließ sie unter Protest die UN-Untersuchungs-Kommission für Syrien, der sie sechs Jahre lang angehört hatte.

Doch trotz der Ermittlungen zu den Gräueltaten wurde ein UN-Tribunal für die Kriegsverbrecher in Syrien verhindert. Wie so oft blockierten die Vetomächte im Sicherheitsrat, vor allem China und Russland, notwendige Resolutionen.

Kriege, Terror und Vertreibung gehen weiter

Anklagen kann und will Carla del Ponte noch immer. Aber inzwischen klagt sie als das Gewissen der Institution, der sie angehörte, diese selber an: die Uno. Deren Tatenlosigkeit angesichts verheerender Gewalt in Kriegs- und Krisengebieten ist nicht nur für del Ponte ein Skandal. Wieder und wieder wird deutlich, wie rückgratlos sich die Uno der Macht der stärksten Staaten beugt. „Das Vetorecht abschaffen!“ lautet del Pontes fordernde Formel.

Es ist ein öffentliches Geheimnis, dass die Weltgemeinschaft dabei zusieht, wie Kriege, Terror und Vertreibung weitergehen, in Syrien, Libyen, im Yemen, in der Ukraine, in Belarus, in Myanmar oder südlich der Sahara durch islamistische Milizen. Aber mehr und mehr herrscht die Auffassung, dass „die dort“ selber zusehen sollen, wie sie ihre Konflikte lösen und Taten ahnden, jetzt auch im Fall Afghanistan, wo immer wieder Schulmädchen bei Anschlägen ermordet wurden.

Del Ponte hat Recht. Doch wer so argumentiert wie sie, erntet derzeit meist ein nachsichtiges: „Ist schon recht.“ Ja, stimmt, internationales Recht bleibt zu oft Papier. Kritik daran ist allerdings inzwischen leicht denunzierbar geworden. Sie gilt als naiv, realitätsfern, utopisch, gestrig und gern auch als „kolonial“. Darin ist sich eine disparate Allianz aus identitätspolitischem Kulturrelativismus und rechtslastigem „Ethnopluralismus“ mit der Realpolitik der Supermächte und deren Macht des Faktischen einig.

Keine Einmischung? Keine Anklagen? „Umso besser!“, schmettert dieser Chor. In linken Diskursen ist bisweilen von „Menschenrechtsimperialismus“ die Rede, der Universalismus der Menschenrechte ist unter Verdacht wie die internationale Justiz. In realpolitischen Diskursen spielen Menschenrechte ohnehin eine Nebenrolle. Solange solche Verirrungen hingenommen werden, bleibt das Vetorecht der Mächtigen unangetastet.

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