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Angesichts des Bamf-Skandals ist bei manch einem Abgeordneten die Freude groß, dass Merkel jetzt persönlich Stellung beziehen muss.

© imago/Metodi Popow

Bamf-Skandal: Die Kanzlerin ist im Bundestag gefragt

Zum ersten Mal stellt sich die Bundeskanzlerin im Bundestag Fragen der Parlamentarier. Die Affäre um das Bundesflüchtlingsamt wird wohl im Fokus stehen.

Von Robert Birnbaum

Wenn der deutsche Bundestag die Regierung befragt, ist das normalerweise zum Gähnen. Am 17. Januar 2001 aber summte ein gut gefüllter Plenarsaal vor gespannter Erwartung. Denn auf der Regierungsbank saß diesmal der Minister des Auswärtigen Joschka Fischer persönlich. Es sollte um seine Vergangenheit in Frankfurter Sponti-Tagen gehen. Die Union versuchte, den Grünen als gewalttätigen Terroristenfreund hinzustellen. Fischers Entgegnung lautete seit Wochen, dass er auf den Straßen Krawall gemacht, das aber bereut und vom Weg in den Terror gerade abgeraten habe.

So auch jetzt: „Was ich getan habe, will ich Ihnen auch klipp und klar sagen: Ich habe mit Steinen geworfen.“ Das Protokoll verzeichnet Unruhe. „Oh!“, erregt sich jemand bei der Union. „Heuchler!“, kommt es aus der SPD zurück. Kurz darauf muss der Präsident die Glocke schwingen, bis Ruhe einkehrt.

Geht es nach der Opposition inner- und außerhalb der Regierungskoalition, soll sich die Szenerie an diesem Mittwoch wiederholen – nur dass diesmal Angela Merkel im Brennpunkt steht. Ab 12:30 Uhr stellt sich zum ersten Mal die Kanzlerin den Fragen von Abgeordneten. Die sind in der Themenwahl frei. Aber es gehört wenig Fantasie zu der Vorhersage, dass die Affäre um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) einen Großteil der guten Stunde einnehmen wird.

Die Einvernahme der Kanzlerin hat die SPD in den Koalitionsvertrag verhandelt. Seit Langem ärgern sich viele im Bundestag darüber, dass Merkel zweimal im Jahr der Bundespressekonferenz Rede und Antwort steht, eine vergleichbare Gelegenheit im Parlament aber fehlt. Zwar steht in Sitzungswochen jeden Mittwoch die „Befragung der Bundesregierung“ auf der Tagesordnung. Dort darf auch jeder Abgeordnete Fragen „von aktuellem Interesse“ stellen, „vorrangig“, so bestimmt es die Geschäftsordnung, zu Themen der Kabinettssitzung.

Doch so interessant das klingt, so strunzlangweilig ist es. Selbst der seinerzeitige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) fand die Veranstaltung „in dieser Form politisch sinnlos“. Denn die Bundesregierung schickt als Vertreter der Ministerien bloß Parlamentarische Staatssekretäre, die vom Zettel ablesen und politisch keine Prokura haben.

Merkel wird sicher ihre wichtigste Waffe zum Einsatz bringen, eine sich in Allgemeinplätzen verlierende Rhetorik, die durch ausnehmend unelegante Formulierungen den Zuhörern derart das Gehirn verkleistert, bis niemand mehr weiß, was eigentlich die Frage war.

schreibt NutzerIn schubertus

Die Kanzlerin muss sich nun dreimal jährlich stellen

Die Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Hasselmann hat schon vor Jahren ein Rechtsgutachten einholen lassen, das diesen Zustand als unrechtmäßig geißelt: Die Befragung „der Bundesregierung“ setze voraus, dass die anwesend sei, und zwar komplett. Aber selbst das rot-grüne Kabinett hatte nie Lust, sich grillen zu lassen; auch Fischer trat in einem anderen Format auf, der Fragestunde, zu der Abgeordnete vorher ihr Anliegen schriftlich einreichen müssen.

Jetzt hat die SPD im Koalitionsvertrag durchgesetzt, dass sich die Kanzlerin dreimal jährlich stellen muss – nach dem Vorbild der „Prime Ministers Question“ des britischen Unterhauses, in der die Abgeordneten sogar wöchentlich dem Regierungschef auf den Pelz rücken.

Angesichts des Bamf-Skandals ist bei manchem die Vorfreude groß. FDP- Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann listet schon ganze Fragenkataloge auf, die er auf die Kanzlerin loslassen will. Den Eifer freilich dürfte schon das Verfahren bremsen, auf dass sich Buschmann und die anderen Geschäftsführer der Fraktionen mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble geeinigt haben. Vorerst gilt die alte Geschäftsordnung. Also kriegt erst Merkel für fünf Minuten das Wort über ein Thema ihrer Wahl. Das ist offiziell geheim, aber jeder mit der Sache Befasste weiß: Die Kanzlerin wollte zum G-7-Gipfel Ende der Woche reden, also über Fragen wie den Welthandel und das Atomabkommen mit Iran.

Das Thema bestimmt zugleich die erste Fragerunde. Danach ist Feuer frei – nach strengen Regeln: eine Minute pro Frage, vier Minuten für die Antwort, Koalition und Opposition im Wechsel, anteilig nach Fraktionsstärken. Das bedeutet drei, vier Fragen pro Oppositionsfraktion. Nachfragen sind nicht vorgesehen. Wer Merkel in die Enge treiben will, muss das also sorgsam planen. Mancher sorgt sich heimlich schon, dass es der Kanzlerin gelingen könnte, die peinliche Befragung zur PR in eigener Sache zu machen. Die Regierungschefin ist ja geradezu berüchtigt für ihre Detailkenntnisse und ihre rasche Auffassungsgabe.

Außerdem kann man sich auch als Fragesteller blamieren. In der Fischer-Fragestunde versuchte ein CDU-Mann den Grünen in die Enge zu treiben: ob er ausschließen könne, mit Steinwürfen Menschen verletzt zu haben? „Nach meinen Erkenntnissen ja“, antwortete der Minister. Warum er denn überhaupt Steine benutzt habe: „Haben Sie die einfach in die Luft geworfen?“ Fischer griff sofort zu: „Ich habe die Steine in die Luft geworfen, ja.“ Martin Hohmann, damals CDU, heute AfD, nahm unter rot-grünem Hohngelächter wieder Platz.

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