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Horst Seehofer (CSU), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau, steht im Bamf-Skandal unter Druck.

© dpa

Bamf-Skandal: Horst Seehofer muss Transparenz herstellen

In der "Akte Bamf" schlummert ein Skandal, der das Vertrauen in die Behörden erschüttert. Für Bundesinnenminister Horst Seehofer steht nun viel auf dem Spiel. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Antje Sirleschtov

Als Alice Weidel unlängst über „Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner“ wetterte, wusste die AfD-Fraktionschefin sehr genau, welche Ressentiments sie schürt. Und auch CSU-Mann Alexander Dobrindt weiß, welche Bilder in den Köpfen entstehen, wenn er gegen eine „Anti-Abschiebe-Industrie“ polemisiert, die abgelehnte Asylbewerber jahrelang vor der Abschiebung schütze. Selten werden dabei fehlende Humanität oder gar Ausländerhass angesprochen. Die meisten Deutschen wissen sehr wohl, dass Menschen Hilfe brauchen, wenn sie vor Kriegen fliehen. Vielmehr geht es um das Rechtsempfinden, jene tief in einer Gesellschaft verankerte Gewissheit, dass die Dinge nach Normen und Regeln abzulaufen haben, an die sich jeder halten muss.

Genau diese Regeln und das Vertrauen, dass der Staat ihre Einhaltung sichert, stehen gerade auf dem Prüfstand. Wenn am Dienstag die Präsidentin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Jutta Cordt, und Innenminister Horst Seehofer (CSU) dem Innenausschuss des Bundestags über betrügerische Machenschaften in der Bremer Außenstelle der Behörde berichten, dann geht es im Kern nicht um eine Ex-Chefin in der norddeutschen Provinz und ihre Helfer, die – teils aus Menschenliebe, teils aus Gier – tausenden Asylbewerbern offenbar zu unrecht positive Bescheide ausgestellt haben. Und es geht auch nicht darum, ob eine singende Bürgermeisterin, die den Fall aufgedeckt hat, mundtot gemacht wurde. Die „Akte Bamf“ birgt kein Affärchen. In ihr schlummert ein handfester Skandal, der weit über persönliche Verfehlung und schludrige Personalarbeit hinaus reicht.

Im Zentrum steht eine staatliche Behörde mit vielen tausend Mitarbeitern, deren intransparente Strukturen und fehlende Führungskraft ein System schaffen konnten, in dem Betrug in großen Stil nicht nur möglich ist, sondern dessen Aufdeckung sogar durch falsch verstandene Loyalitäten und Gleichgültigkeit verhindert wurde. Immer neue Informationen lassen vermuten: Bremen ist erst der Anfang. Dass eine Behörde mit einer derartig großen gesellschaftlichen Bedeutung erst vor wenigen Jahren überhaupt eine interne Kontrolle der eigenen Entscheidungen eingeführt hat, spricht Bände über die Zustände in diesem Amt. Finstere Erinnerungen an die einstige „Bundesanstalt für Arbeit“ werden wach, die sich jahrelang mehr mit der Schönung von Arbeitslosenstatistiken als mit der Vermittlung von Jobs beschäftigt hat. Nun krempeln Polizei, Staatsanwälte und der Bundesrechnungshof die Bamf-Strukturen um.

Für Horst Seehofer steht nun viel auf dem Spiel

Hat die Politik versagt? Natürlich! Dass Arbeitsweise und Personalausstattung des Bamf zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, weiß man doch nicht erst seit der Flüchtlingskrise vor zwei Jahren. Hunderttausende unerledigte Akten wurden zum Beleg des Nichtstuns der politisch Verantwortlichen. Hektisch hat der damalige Ressortchef Thomas de Maizière 2016 den Arbeitsamtschef Frank Jürgen Weise beauftragt, Ordnung in das Chaos zu bringen. Zu kurz gedacht, zu kurz gesprungen war das. Weise blieb ein Jahr, gerade lang genug, um die Öffentlichkeit zu beruhigen. Als der Bremer Skandal intern ruchbar wurde, galt es offenbar, die Wiederwahl der Kanzlerin 2017 zu sichern. Betrug in der Asylbehörde wäre da nicht förderlich gewesen.

Für Horst Seehofer steht nun viel auf dem Spiel. Er will künftig in zentralen Einrichtungen, den Ankerzentren, zügig und rechtswirksam prüfen lassen, wer als Flüchtling oder Asylbewerber anerkannt und integriert wird und wer das Land wieder verlassen muss. Erst einmal muss er aber selbst Transparenz über die Fehler der Vergangenheit im Bamf herstellen und vertrauenswürdige Strukturen für die Zukunft aufbauen. Denn die Funktionsfähigkeit dieser Behörde wird für die Ankerzentren zentral sein. Als bayerischer Ministerpräsident hatte Seehofer 2016 über die „Herrschaft des Unrechts“ geklagt. Nun hat er Gelegenheit, dem Recht zur Geltung verhelfen.

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